Sieger im Standortmuskelspiel

In der zweiten Bundesliga der Frauen ist auch der ostfriesische Dorfverein SuS Timmel dabei, weil er sich gegen den DFB gewehrt hat. von udo van lengen

Hinter der Wohnstraße »An der Mühle« mit den roten, einstöckigen Klinkerhäuschen und den englisch-gepflegten Vorgärten ist das ostfriesische Straßennetz zu Ende. Genau dort, zwischen den Sackgassen »Waterpad«, »Achter’t Diek« und »Över’t Meer«, wird seit dieser Woche Bundesligafußball geboten. Das erste Frauenteam von SuS Timmel ist in die neu eingeführte zweite Bundesliga der Frauen aufgestiegen. Eine Zäsur sowohl in der ostfriesischen Sportgeschichte, die bis jetzt von Klootschießen und Boßeln dominiert wurde, als auch im Leben von Bruno Mönk. Der Trainer der Aufstiegself ist sich sicher, dass die zweite Liga neue Maßstäbe in Sachen Organisation setzen wird: »Die Bruno-One-Man-Show ist nicht mehr drin.«

Das neue Produkt, die in eine Nord- und eine Südstaffel aufgeteilte zweite Liga, soll dem DFB zufolge das Leistungsniveau im deutschen Frauenfußball verengen. Wenn stärkere Teams aufeinander treffen, hebe sich automatisch das Niveau. Im Frauenfußball sei man zwar schon Weltmeister, aber dennoch könne man sich sportlich noch verbessern. Das nationale Wohlergehen des deutschen Frauenfußballs steht für Mönk weniger im Vordergrund. »Die Luft da oben ist dünner, und man sieht dann, wo die sportlichen Defizite liegen.«

Doch nicht nur sportlich ist die Liga eine Herausforderung für Timmel, auch organisatorisch steigen die Ansprüche an den Verein. Vor der Zulassung wollte der DFB einiges in Erfahrung bringen: Ob Timmel mit Flugzeug und Bahn leicht zu erreichen sei, ob die Ehrengäste auch in der Mitte der Tribüne säßen, ob der Vip-Bereich dahinter groß genug sei und ob auf der Ersatzbank zehn Leute Platz nehmen könnten.

Ein kurzer Blick auf die Umgebung und den kargen Sportplatz reichte aus, um all diese Fragen mit »nein« zu beantworten. Immerhin, sagt Mönk, könnten die Doping-Kontrollen und die Pressekonferenzen auf dem ausgebauten Dachboden des Vereinsheimes stattfinden.

Doch die Auflagen und Wünsche des DFB waren nicht die schwierigsten Anforderungen auf dem Weg in die zweite Liga. Dreieinhalb Wochen vor dem Ende der vergangenen Saison befürwortete der DFB einen Antrag des Fußballverbands Brandenburg, die Spielordnung zu ändern. Es sollten auch Teams aufsteigen dürfen, die bereits eine Elf in der ersten Liga hatten. Plötzlich wurden die Frauen vom Hamburger SV, von Turbine Potsdam, von Bayern München und dem FFC Frankfurt zu unerwarteten Konkurrentinnen um die wenigen Aufstiegsplätze. »Es ist eine Frechheit, was sich der DFB da angemaßt hat«, schimpft Mönk.

Rüdiger Lorenz, Geschäftsführer des Brandenburger Fußballverbandes, verteidigt den Antrag mit übergeordneten nationalen Zielen: »In Potsdam haben wir ein Leistungszentrum für den Frauenfußball aufgebaut. Wenn wir so viele junge Spielerinnen ausbilden, müssen wir ihnen auch ermöglichen, höherklassig zu spielen. Denn das Ziel kann doch nur heißen, hochkarätigen Nachwuchs für die deutsche Frauennationalmannschaft zu formen.«

Das nationale Standortmuskelspiel bescherte dem SuS Timmel unruhige Tage. Ständiges Telefonieren mit den DFB-Landesverbänden, ein Rechtsanwalt wurde eingeschaltet, sportlich lief es ob der Unsicherheit schlecht. Erst am 9. Mai, dem letzten Spieltag, rief ein Verantwortlicher des DFB an und meinte, dass die zukünftige zweite Liga für ein Jahr von zehn auf zwölf Teams aufgestockt werden würde. Timmel konnte doch noch aufsteigen.

Aber Mönk ist weiterhin ungehalten: »Wie man beim DFB mit dem Frauenfußball umgeht, kann ich nicht verstehen. Sportlich hatten wir unser Ziel erreicht, und dann wird dir per Reglementänderung am grünen Tisch der Aufstieg weggenommen. Wir dagegen hatten und haben uns ständig an irgendwelche Fristen zu halten.« Mit dem DFB ist Mönk sich nur in dem Punkt der fehlenden Leistungsdichte einig. Bei den Mädchen sei es gang und gäbe, dass ein einzelnes Talent viele Spiele im Alleingang entscheide, weil Gegnerinnen und Mitspielerinnen ihm nicht das Wasser reichen könnten. »Aber weil die Talentierte auf sich allein gestellt ist, entwickelt sie sich nicht mannschaftstauglich.«

Er begegnet diesem Phänomen mit Schulungen zu Taktik und Laufwegen. Trotzdem ist sein Ehrenamt hin und wieder frustrierend. »Was ich in meinem Trainerjahr erlebt habe, da kann ich nur alle Hände über dem Kopf zusammenschlagen: ständige Stockfehler, morgens Leute aus den Betten holen, nur neun Spielerinnen auf dem Platz.«

Das ist ärgerlich für Mönk, der seinerzeit als Spieler von Germania Leer und Kickers Emden im ostfriesischen Fußball sehr erfolgreich war. Männerfußball sei schneller, körperbetonter, robuster. »Aber die Frauen bemühen sich, und sie kämpfen. Spielerinnen machen trotz offener Wunden und Blasen weiter.«

Mönk sagt, dass Männer, die in die Frauenfußballwelt eintauchen, viel Toleranz mitbringen müssen um klarzukommen. Er übt sich seit über 20 Jahren darin. Das begann 1979, als er seine spätere Frau beim Fußball beobachtete. Zu der damaligen Spielerin des SuS Timmel meinte er: »So wie ihr spielt, wird das nichts …« Als logische Konsequenz übernahm er kurze Zeit später das Traineramt. 1982 gelang der erste Aufstieg in die erste Kreisklasse. Mit einer Unterbrechung spielte sich der Dorfverein stetig nach oben bis in die zweithöchste Spielklasse, und das mit nur wenigen Sponsoren.

Mönk schätzt, dass die kommende Saison 35 000 Euro verschlingen wird, 9 000 Euro erhalte man vom DFB. »Wir wehren uns sicher nicht gegen einen Mäzen, aber wir brauchen auch Mittelständler. Denn es ist besser, das Risiko auf möglichst vielen Schultern zu verteilen.« Der Bürgermeister der Gemeinde habe mittlerweile Unterstützung bei der Sponsorensuche zugesagt. Schließlich sei das Produkt SuS Timmel für alle interessant und werbe für den gesamten ostfriesischen Raum. Mönk freut sich über die Hilfe von außen; er kann sich deshalb mehr auf das Sportliche konzentrieren. Auf der Suche nach neuen Spielerinnen tourt er ständig quer über die Kreisklassenplätze Ostfrieslands. »Denn«, erklärt Mönk, »wir wollen die Klasse halten. In der ersten Saisonhälfte werden wir unsere Neuzugänge integrieren und in der zweiten Hälfte den Klassenerhalt sichern.«

Vielleicht werden sie wie in der letzten Saison von durchschnittlich 150 plattdeutsch sprechenden Zuschauern unterstützt, falls der DFB dieses eine Mal den Wünschen der Timmeler entspricht. Der Vorsitzende des Vereins verlangt, dass die Heimspiele nicht später als 14 Uhr angepfiffen werden. Man müsse schließlich die Teezeit in Ostfriesland berücksichtigen.