Watergate am Fluss

Der Sommer hat Berlin eine neue Partymeile gebracht: an der Spree, zwischen Jannowitzbrücke und Markgrafendamm. von adrian pohr

Am Anfang war das Brachland. Seit der so genannten Wende blieb der Abschnitt der Spree, der sich vom Markgrafendamm zur Jannowitzbrücke hinzieht, für kommerzielle Nutzung weitgehend unbeachtet. Doch plötzlich, voriges Jahr im Sommer, verschwanden Menschenströme am helllichten Tag in einer schmalen Lücke in der East Side Gallery, dem längsten erhaltenen Stück der Berliner Mauer. Der Oststrand war geboren.

Das war noch überschaubar. Erst im Mai dieses Jahres setzte der Boom ein. Nachdem sich bereits die Kastanienallee und die Simon-Dach-Straße binnen kürzester Zeit zu urbanen Trendflächen entwickelt hatten, spross an der Spree eine Partylocation nach der anderen aus dem Boden.

Den vielleicht letzten, in jedem Fall aber ruhigsten Neuzugang der Sommersaison hatte der Nachtclub Watergate an der Oderbaumbrücke zu bieten. »Is’ ja eher gedämpfte Mucke hier draußen«, bemerkte ein Typ mit Truckermütze und stapfte postwendend von der frisch eröffneten Terrasse auf Wasserhöhe ins Innere des Clubs.

Die geladenen Gäste, das Stamminventar des Watergates plus wirtschaftlich Verbündete wie Anwälte, Sponsoren, Architekten etc., weihten die künftige Chillout-Fläche auf der Spree ein. Atmosphärisch glich das Event einem hippen Sektempfang, bei dem man über Styles, Jobs und Nightlife redet.

Die Frage des Abends stellte die partyerfahrene Wahlberlinerin Eva: »Wieso hat die Terrasse erst so spät aufgemacht, es ist doch gar kein Sommer mehr?« Johannes Braun, Mitbetreiber des Watergate, schob die Verantwortung auf den »Alkoholikerverband Landesbauamt« und meinte damit die bürokratischen Mühlen. So musste die Harmonie des Designs der Terrasse mit dem der Oberbaumbrücke gewährleistet sein, Fragen des geplanten Uferwanderwegs geklärt und nach Munition getaucht werden, unter anderem.

Über schon länger existierende Feierinstitutionen hinaus wie die Maria am Ufer, das MS Edelweiss oder die Hoppetosse hat sich in diesem Jahr das Partyspektrum an der Spree wesentlich erweitert. Am Gelände der Arena wurde Anfang Mai ein wenig Sand aufgeschüttet und ein Schwimmbecken in die Spree gesetzt: Fertig war das Badeschiff, das seither gut besucht ist. Es bietet der nach Events gierenden Jugend Abhängmöglichkeiten am Wasser, abends untermalt von elektronischer Musik.

Etwas weiter flussaufwärts findet man das King Kameamea, benannt nach dem populärsten hawaiischen König beziehungsweise einer Bar aus der Serie »Magnum«, das ein gemischteres Publikum anlockt. Zwischen einem Billardtisch unter Bäumen, einem Strand und einer selbst gebauten Bar wird hier an Wochenenden auf dem ehemaligen Bootshaus des Wasserschiffamtes gefeiert. Da gibt es auch schon mal Ärger mit der Polizei, die Ruhestörungen mit Großaufgeboten zu unterbinden bereit ist.

Grüne Uniformen tauchten auch auf der Eröffnungsfeier der Sommerranch Bar25 auf, die seit einigen Wochen auf der gegenüberliegenden Seite der Spree am Holzmarkt residiert, trotz zahlreicher präemptiver Lautstärkemessungen (45 Dezibel sind erlaubt). Während in den anderen Strandbars Mojitos zur Entspannung zwischen den Arbeitstagen geschlürft werden, erholt sich auf der Sommerranch die Partyszene Berlins unter dem in wenigen Tagen errichteten Hüttendach von den harten Wochenenden. Die Einrichtung erinnert an eine Mischung aus der Wohnzimmerbar im Prenzlauer Berg und der Deko von Technofestivals im Berliner Umland.

Man darf gespannt sein, ob der Trend zum Strand im nächsten Jahr weitergeht, Platz genug bietet die Spree ja. Oder man entdeckt nach den Straßen und dem Fluss endlich modernere urbane Sphären – zum Beispiel unter der Erde.