Geld ist nicht alles

Erika Steinbach setzt nicht mehr auf Entschädigungszahlungen für die so genannten Vertriebenen, sondern auf ein »Recht auf Heimat«. Zum Beispiel in Polen. von jörg kronauer

Plant die Regierung ein nationales Entschädigungsgesetz für die »Vertriebenen«? »Nein, das haben wir ganz bestimmt nicht in der Röhre«, erklärt die Sprecherin des Bundesinnenministeriums pikiert. Rot-Grün gibt also der BdV-Präsidentin Erika Steinbach nicht nach? »Nein, das steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung«, verwahrt sich auch der Chef vom Dienst des Bundespresseamtes in scharfem Ton gegenüber der Jungle World.

Ihre Forderung, ein nationales Entschädigungsgesetz zu schaffen, hat Steinbach auf dem »Tag der Heimat« am 4. September bekräftigt. Eine eigenartige Allianz – denn die Idee stammt eigentlich aus Polen. Um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu entspannen, solle die deutsche Regierung die Entschädigungsforderungen deutscher Umgesiedelter selbst begleichen, meint man dort. Schließlich hat die polnische Regierung ihrerseits Abfindungen an Polinnen und Polen gezahlt, die wegen der Westverschiebung ihres Landes im Jahr 1945 Eigentum in der damaligen Sowjetunion zurücklassen mussten. Auf diese Weise, so die Hoffnung, bekäme man endlich den Streit um die Entschädigungsforderungen vom Tisch.

Wäre ein nationales Entschädigungsgesetz also geeignet, Rechtsfrieden zu schaffen? Steinbach meint: ja. »Darum fordere ich die Bundesregierung auf, (…) durch gesetzliche Regelungen etwaige Ansprüche zu einer innerdeutschen Frage zu machen«, sagte sie bereits im August der Welt. Doch einen Staatsbankrott müsse der Finanzminister nicht befürchten: Sie sei bereit, »bis hin zu einer materiellen Null-Lösung« zu gehen, bot die BdV-Präsidentin beim »Tag der Heimat« an. Und sie erntete dafür wilden Protest aus den Reihen des BdV.

Steinbachs Angebot, die unsäglichen Entschädigungsklagen zum Nulltarif auszuhebeln, gefällt der Bundesregierung gar nicht. Denn die Klagen entsprechen geltendem deutschem Recht. Zwar bekamen die Umgesiedelten bereits in den fünfziger Jahren eine Art Entschädigung, den so genannten Lastenausgleich. Doch das geschah nur »unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Gewährung und Annahme von Leistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen und Rückgabe des von den Vertriebenen zurückgelassenen Vermögens bedeutet«, so steht es in der Präambel zum Lastenausgleichsgesetz (LAG). Die Regierung hat das LAG zuletzt im Mai 2004 revidiert, die Präambel aber wohlweislich nicht angetastet.

Denn auch Rot-Grün teilt in der Entschädigungsfrage die Position aller Bundesregierungen seit 1949. »Die Bundesregierung ist (…) der Auffassung, dass die Vertreibung und entschädigungslose Enteignung deutscher Staatsangehöriger im Widerspruch zum Völkerrecht erfolgte«, heißt es in einem Schreiben des Finanzministeriums vom März 2004. Zwar vertrete die Regierung Entschädigungsforderungen gegen Polen nicht selbst, habe aber keinesfalls »auf individuelle Ansprüche von Deutschen verzichtet«. Gegen schwächere Staaten geht man allerdings offensiver vor. »Die Bundesregierung hat gegenüber der kroatischen Regierung ihr Interesse an der Entschädigung deutscher Vertriebener anhängig gemacht«, gab der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Jürgen Chrobog im Juni zu Protokoll.

Bleibt die Frage, warum gerade Erika Steinbach bereit ist, auf Entschädigungen zu verzichten. Ihr geht es um mehr: Die Umgesiedelten sollen das »Recht auf Heimat« in ihren Herkunftsgebieten erhalten. Das beinhaltet nicht nur Niederlassungsfreiheit, sondern auch politische Mitspracherechte. Die Vertriebenenverbände haben im vergangenen Jahr ihre Bemühungen verstärkt, Kontakte aufzubauen und in Polen und der Tschechischen Republik kommunalpolitische Aufgaben zu übernehmen. Sie betreiben damit immer erfolgreichere Einflussarbeit vor Ort. Der Streit um politisch unfruchtbare Entschädigungszahlungen stört da nur.