CNN-Effekt kills Formel 1

Der Autohersteller Ford zieht sich aus der Rennserie zurück. Sie wird damit noch langweiliger. von elke wittich

Sucht man nach einem für die internationale Automobilindustrie einschneidenden Datum, ist man schnell fertig: Seit dem 11. September 2001 ist für die meisten KFZ-Hersteller nichts mehr so, wie es einst war.

Noch heute leiden sie unter den Auswirkungen des »CNN-Effekts«, der besagt, dass Menschen, die den ganzen Tag völlig schockiert vor ihren Fernsehern sitzen, eben nicht ausgehen und Autos kaufen.

Was als bloße Reaktion auf die Terroranschläge begann, macht der Branche bis heute zu schaffen. Die bis dato gängigen Just-in-time-Produktionen wurden plötzlich durch verschärfte Zollkontrollen gestört, zusätzlich mussten wegen plötzlich unverkäuflich gewordenen Modellen Lagerräume angemietet werden. Hohe Rohölpreise wirken auf die europäischen Käufer benzinschluckender SUV-Modelle durchaus abschreckend. Wie in den USA die Kampagne »What would Jesus drive«, die mit Werbespots für spritsparende Modelle wirbt, in denen ihre Fahrzeuge betankende Menschen Sachen sagen wie: »Mit dem Bezahlen meiner Benzinrechnung habe ich dafür gesorgt, dass ein Terrorist eine Flugausbildung bekam.«

Die Reaktion der Hersteller bestand vor allem im Sparen. Zulieferer beklagen seither steigenden Druck, kleinere Automessen wie die in Berlin werden abgesagt oder kämpfen ums Überleben.

Lediglich in die Formel 1 wurde nach wie vor investiert, obwohl die Rennserie von Jahr zu Jahr langweiliger und Michael Schumacher immer früher in der Saison zum Weltmeister wurde.

Nun allerdings ist selbst damit Schluss. Am Donnerstag vergangener Woche wurde gemeldet, dass der chronisch erfolglose, wenngleich renommierte Rennstall Jordan sich aus der Rennserie verabschiede. Einen Tag später wurde bekannt, dass auch Jaguar im nächsten Jahr nicht mehr im Kreis herumfahren wird. Und demnächst wird auch Minardi bekanntgeben, dass es nicht mehr hinter Michael Schumacher herhecheln wird.

Denn Ford hat absolut keine Lust mehr. Der Hersteller, der sich unter der Ägide seines Chefs Jacques Nasser unter anderem im Jahr 1989 Jaguar gekauft und seinem aus den Marken Aston Martin, Volvo und Land Rover bestehenden Luxussegment PAG (Premier Automotive Group) hinzugefügt hatte, sieht keinen betriebswirtschaftlichen Sinn mehr in der Formel 1.

PAG-Vize Mark Fields erklärte letzte Woche am Ford-Standort Dearbourne, Jaguar sei zwar bei den Formel 1-Fans »unglaublich beliebt, und auch die Fahrer reißen sich um einen Sitz in unseren Cockpits«, die Marke sei jedoch insgesamt »in einer ernsthaften Verlustsituation« und könne sich »mit jährlich 125 000 verkauften Modellen einfach keine drei Produktionsstandorte mehr leisten«. Im britischen Traditionsstandort Coventry, wo seit mehr als 50 Jahren Jaguars gefertigt werden, sollen daher 1 350 der 2 000 Beschäftigten entlassen werden, zu Aston Martin beziehungsweise Land Rover wechseln oder in den Vorruhestand gehen. Zwischen 50 und 60 Millionen Euro sollen so eingespart werden.

Die schumacherinduzierte F1-Langeweile hat mit dieser Entscheidung jedoch kaum etwas zu tun, selbst wenn die Zuschauerzahlen in jedem einzelnen Land außer in Deutschland seit Saisonbeginn kontinuierlich abnehmen und sich Experten schon seit dem ersten Start der Jaguars beim Grand Prix von Australien im Jahr 2000 darüber lustig machten, dass nur Kontinuität zum Erfolg in der Formel 1 führe, das Konzept des Herstellers jedoch das absolute Gegenteil sei. »Der Chefsessel ist ein Schleudersitz, wobei eben diese Chefs ausschließlich nach dem Prinzip ›Was bei Eins nicht auf den Bäumen ist, wird genommen‹ ausgesucht wurden«, erklärte etwa der schwedische Motorsportjournalist Per Gunne bereits vor Jahren.

Schuld am Rückzug aus der Formel 1 sind ganz allein der CNN-Effekt und grobe Fehleinschätzungen des Luxussegment-Marktes. Wer sich Sorgen um seinen hochbezahlten Arbeitsplatz macht, wird nicht unbedingt ein Automodell kaufen, das als extrem verbrauchsintensiv gilt; fährt die Marke zudem noch trotz der menschlich netteren Fahrer bei der Formel 1 der italienischen Konkurrenz notorisch hinterher, drückt das zusätzlich auf die Verkaufsaussichten.

Und so kam es, wie es kommen musste: Die Fordsche PAG hatte im ersten Halbjahr 2004 schlicht mehr als 360 Millionen Dollar Verlust gemacht. Die Hälfte davon ist Insidern zufolge Jaguar zuzurechnen, da Volvo trotz des Rückrufs eines Modells Profite abwirft und die beiden anderen Marken schon bald kostendeckend arbeiten. Gary Lapidus, Analyst bei Goldman Sachs, warf zwar die Frage auf, wie die PAG-Sparte es denn wohl schaffen solle, »die ziemlich große Lücke zwischen einigen hundert Milionen Dollar Gewinn im nächsten Jahr und zwischen den avisierten mehreren Milliarden Dollar Gewinn im übernächsten Jahr zu schließen«, an der Entscheidung für den Ausstieg änderten seine Bedenken jedoch nichts.

Und so warten auf die Formel 1 in der nächsten Saison eine ganze Menge Schwierigkeiten, die nicht unbedingt dazu führen, dass 2005/06 spannende Rennen geboten werden.

Denn auch Ford Cosworth, der motorsportliche Arm des Unternehmens, der bisher Jordan, Jaguar und Minardi mit Aggregaten versorgte, steht nunmehr zum Verkauf. Minardi besitzt als einziger der drei Rennställe zwar noch mit dem Zulieferer Verträge für die nächste Saison, aber dass es sich nicht lohnt, nur für einen einzigen Rennstall ein komplettes Entwicklerteam zu beschäftigen, steht fest.

Im schlimmsten Fall stehen zu Beginn der Formel 1-Saison nur noch 14 Wagen am Start. Und der Sieger dürfte aufgrund der dann noch schwächeren Konkurrenz nach nur wenigen Terminen Michael Schumacher heißen.