Hilflose Gesten

Die muslimische Gemeinde Frankreichs streitet über das Vorgehen zur Rettung der Geiseln. Die Mehrheit der Linken verurteilt die Entführung. von bernhard schmid, paris

Reichlich stereotyp fallen die Erklärungen der Pariser Regierung seit drei Wochen aus. Die französischen Geiseln im Irak, die beiden Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot, und der mit ihnen gefangene syrische Chauffeur Mohammed al-Joundi seien »gesund und werden gut behandelt«. Die ebenso gleich bleibenden wie unüberprüfbaren Informationen über den Verbleib der Entführten stützen sich auf die zahlreichen Mittelsmänner – darunter religiöse Oberhäupter und Stammesführer –, die im Irak eingeschaltet wurden.

Zunächst wurde damit gerechnet, dass sie am 3. September freigelassen werden würden. Doch dazu kam es nicht; es hieß, die Offensive der US-Armee und der verbündeten irakischen Streitkräfte bei Bagdad habe die geplante Übergabe der Geiseln verhindert. Später tauchten neue Schreiben im Internet auf, die angeblich von der »Islamischen Armee im Irak« stammen, in deren Gewalt die Geiseln sich vermutlich befinden. Ihre Echtheit bleibt jedoch ausnahmslos umstritten. Am Donnerstag vergangener Woche verlautete, man werde ein »islamisches Gericht« über die beiden Franzosen abhalten.

24 Stunden zuvor war im Namen der Gruppierung verkündet worden, man respektiere Journalisten und Ärzte, wolle jedoch Spione und Saboteure ausfindig machen. Dasselbe Schreiben enthielt scharfe Angriffe auf die französische Politik. So machten die mutmaßlichen Entführer Frankreich dafür verantwortlich, dass die Islamisten Anfang der neunziger Jahre in Algerien nicht die Macht übernehmen konnten. Diese Behauptung ist historisch zwar falsch, aber bei Islamisten erfreut sich der Vorwurf großer Beliebtheit.

Vergangene Woche trat der ehemalige Parteichef der »Islamischen Rettungsfront« (FIS) in Algerien, Abassi Madani, der seit Herbst vorigen Jahres im Exil in Katar lebt, für die Freilassung der französischen Geiseln in den Hungerstreik. Wahrscheinlich will der frühere FIS-Chef durch seine Aktion verhindern, dass unkontrollierterGewalttätigkeiten im Irak zu ähnlichen Ergebnissen führen wie damals in Algerien. Dort hatte der Terror bewaffneter Splittergruppen, die der Kontrolle der FIS entglitten waren, die Islamisten um jede Siegeschance im Bürgerkrieg gebracht.

Mohammed Bechari, Mitglied des französischen muslimischen Zentralrats (CFCM), der sich zu Gesprächen mit diversen Akteuren über die Geiselaffäre im Mittleren Osten aufhält, traf Madani am Dienstag vergangener Woche. Das aber führte zu heftigen Reaktionen in seiner Gemeinde. Die algerische Fraktion um den gegenwärtigen CFCM-Präsidenten, Dalil Boubakeur, ist strikt gegen Kontakte zu politischen Islamisten. In einem Kommuniqué wurde das »verantwortungslose Vorgehen« von Bechari verurteilt.

Und wie verhalten sich die französischen Linken und die Antikriegsbewegung in dieser kritischen Situation? Überwiegend verurteilen sie die Geiselnehmer und ihre ideologischen Ziele. Auch die KP ist mit der Regierung in dieser Frage einig. Die linke Antikriegsgruppe Solidarité Irak verbreitete sehr schnell eine Solidaritätserklärung für die drei Geiseln, in der ihre Freilassung sowie das Ende der Angriffe auf irakische Frauen gefordert wurde. Auch die trotzkistisch-undogmatische LCR verurteilte in ihrer Wochenzeitung Rouge das »totalitäre Gesellschaftsprojekt« der bewaffneten Islamisten, »wo es keine Pressefreiheit geben würde, die Scharia an die Stelle jeder demokratisch bestimmten Regel treten würde und die Frauen einem Statut dauerhafter Minderwertigkeit unterworfen wären«. Das Agieren dieser Gruppe werde jedoch durch das Chaos, das die US-Strategie im Irak hinterlasse, erleichtert. Nicht zu der Frage verhalten hat sich hingegen bisher die vom französischen Linksruck-Pendant beherrschte Aktionsplattform Agir contre la guerre (Handeln gegen den Krieg).