Antifa heißt Aufwachen

Der Kampf gegen Neonazis muss sich auf die neuen Verhältnisse einstellen.

Angesichts der Ergebnisse der Landtagswahl in Sachsen scheint einmal mehr die Frage auf dem Tisch zu liegen, ob antifaschistische Politik gescheitert ist. Fast 15 Jahre lang war Antifaschismus der zentrale und für viele Linke einzige Politikansatz in den ostdeutschen Bundesländern. War das alles vergebens? Bei genauerem Hinsehen ist diese Frage jedoch eine rhetorische. Denn unbestreitbar ist, dass ohne die konsequente Arbeit der wenigen sächsischen Antifa-Gruppen die Lage deutlich schlimmer wäre.

Auch wenn das oft aufreibende und nicht immer ungefährliche Engagement der Antifas das Wahlergebnis nicht beeinflusst haben dürfte, so ist es ihnen immerhin zu verdanken, dass den Neonazis Paroli geboten wird und sie trotz ihrer Parlamentsmandate nicht selbstverständlich in der Öffentlichkeit auftreten können, dass sie immer und überall mit Protest und Widerstand rechnen müssen. Ohne die Antifa wäre die Wahrnehmung von Neonazis als Normalität längst viel weiter fortgeschritten.

Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die Stimmen für die NPD kein Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit im Osten waren, keine »Protestwahl«, wie es die Masse so genannter Gesellschaftswissenschaftler gerne hätte. Für einen Teil der Wähler mag es tatsächlich um eine »Quittung« für die Politiker in Berlin gegangen sein, doch die NPD wirbt für sich nicht umsonst als »Volkes Stimme« – und die spricht und pöbelt seit Jahren mit rassistischem, antisemitischem und völkischem Gehalt. Die NPD kanalisiert den Willen der »Volksgemeinschaft«. Daraus ergibt sich die nächste Notwendigkeit: Die Fortsetzung und Forcierung der Auseinandersetzung um die Themen der »deutschen Mitte«. Dem geschichtsverdrehenden Guidoknoppismus und den den Schlussstrich herbeisehnenden Propheten des »Untergangs« muss entgegengetreten werden; jeder Historisierung deutscher Schuld, ebenso wie der Relativierung des Holocaust.

Antifas sollten zudem verstärkt das Bündnis mit anderen von Neonazis bedrohten Bevölkerungsteilen suchen, die jedoch nicht nur als zu unterstützende Opfer, sondern vielmehr als potenzielle kreative Mitstreiter wahrzunehmen wären. Wenn es zudem gelingt, die Basis antifaschistischer Themen zu erweitern, hat die Antifa eine Zukunft. Die NPD kann in Sachsen flächendeckend auf Strukturen zurückgreifen, und sie wird diese Strukturen durch die Eröffnung von Wahlkreisbüros noch erweitern. Genauso flächendeckend müssen Antifas agieren. Anknüpfungspunkte gibt es genug.

Als Beispiel der jüngsten Zeit kann die Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« gelten, die sich gegen die zunehmende Vereinnahmung von Subkulturen durch Nazis und gegen die Akzeptanz und Existenz von Naziläden und –versanddiensten in Sachsen richtet. Hier geht es darum, einerseits Öffentlichkeit herzustellen und über Nazistrukturen aufzuklären und andererseits entschlossen gegen diese Strukturen vorzugehen. Rund 400 Antifas demonstrierten am vergangenen Samstag gegen zwei Nazishops in Chemnitz und wurden dabei von einem Mob aus 200 Faschos angegriffen. Flaschen und Steine flogen, »Juden raus!«-Rufe erschallten. Nazis sitzen eben nicht nur in gepolsterten Parlamentssesseln und tragen Krawatte, sie sind nach wie vor ein Problem der Straße, der Alltagskultur, der Gesellschaft. Hier muss Antifa-Politik unbedingt dranbleiben. Auf die Zivilgesellschaft und bürgerliche oder alternative Linke zu vertrauen, kann in Einzelfällen sehr befruchtend sein. Um effektiv gegen Neonazis vorzugehen, braucht es aber mehr.

Die Antifa gehört auf die Straße, in die Gesellschaft! Ihr Anspruch muss sein, im Alltag jugendlicher Lebenswelten wieder mehr erlebbar zu werden. Es ist in Sachsen schon erfreulich, wenn Jugendklubs Konzerte mit plakativen politischen Botschaften wie »Good night white pride« veranstalten. Auch wenn solche Veranstaltungen nicht immer mit tiefer gehenden politischen Inhalten gefüllt sind, ermöglichen sie doch für viele Jugendliche einen ersten Zugang zur Thematik und den Kontakt zu Gleichgesinnten.

Seit der Wahl sind die Möglichkeiten der NPD, ihre braunen Parolen zu verbreiten, um ein Vielfaches gestiegen. Mit den zwölf Mandaten im Landtag wurde ihr bislang eher als zwielichtig angesehenes Treiben auf festere, anerkannte Säulen gestellt. Diese zum Wanken zu bringen, auf allen möglichen Ebenen, ist die Aufgabe der Antifa. Die Grundlagen dafür sind da. Mit der zunehmenden Etablierung der Nazis, wächst die Notwendigkeit, gegen sie vorzugehen. Genau genommen, bleibt uns keine andere Wahl.