»Nicht alle sind Extremisten«

Der Wahlerfolg der NPD könnte weitreichende Folgen für den sächsische Verfassungsschutz haben. Ein Gespräch mit dem Leiter der Abteilung Links- und Rechtsextremismus, Olaf Vahrenhold.

Wird sich die Arbeit des Verfassungsschutzes nach den Wahlerfolgen der NPD ändern?

Die Beobachtung der NPD stellt schon seit langer Zeit einen Schwerpunkt unserer Arbeit dar, und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Was wir aber sicherlich verändern werden, ist unsere Aufklärungsarbeit. Wir werden versuchen, im Rahmen der Aufklärungsarbeit gegen Extremismus noch intensiver aufzutreten, besonders in Gegenden, in denen die NPD so stark ist. Allerdings hängt die Aufklärungsarbeit auch davon ab, ob wir dort jeweils erwünscht sind. Wir bieten jedenfalls Vorträge und eine Ausstellung über Extremismus an.

Wie schätzen Sie die Regionen ein, in denen die NPD sehr stark ist?

In den Gegenden, wo die NPD relativ stark ist, verfügt sie bereits jetzt über feste Strukturen, beispielsweise in der Sächsischen Schweiz. Inwieweit diese Strukturen noch verstärkt werden können, ist überhaupt fraglich. Was aus unserer Sicht in solchen Gegenden zu erwarten ist, ist ein Mitgliederzuwachs. Den befürchten wir in der Tat. Wo die Strukturen der Rechten noch nicht so stark sind, wird es ihnen vor allem darum gehen, sie zu stärken.

Besteht angesichts von knapp zehn Prozent rechtsextremen Wählern nicht die Gefahr, den Überblick über die rechtsextreme Szene zu verlieren? Müssen Sie Ihre Arbeit grundsätzlich ändern?

Über Details unserer Arbeit möchte ich keine konkreten Auskünfte geben.

Die NPD will einen Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz (PKK) beantragen. Kontrolliert die NPD bald die NPD?

Es ist ja noch unsicher, was dabei rauskommen wird. Die Entscheidung, wie die PKK zusammengesetzt ist, ist eine Entscheidung des Landtages. Wir müssen die Entscheidung dann nehmen, wie sie kommt – auch wenn die NPD einen Sitz erhält.

Angenommen, die NPD erhält diesen Sitz. Könnte sie sich dann über V-Männer in der eigenen Partei informieren?

Für eine effektive parlamentarische Kontrolle muss die Geheimhaltung der Informationen gewährleistet sein. Es ist natürlich zu befürchten, dass das mit der NPD nicht möglich wäre. Für diesen Fall gibt es rechtliche Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Das sächsische Verfassungsschutzgesetz sieht vor, im Einzelfall bestimmte Informationen nicht herauszugeben. Das ist allerdings eine Entscheidung der sächsischen Staatsregierung.

Das hätte doch ernst zu nehmende Auswirkungen auf die Transparenz der Arbeit des Verfassungsschutzes.

Es ist nicht sinnvoll, jede theoretische Möglichkeit bis in kleinste Verästelungen zu diskutieren. Wir sollten abwarten, ob überhaupt eine solche Konstellation eintritt.

Haben Sie Konsequenzen aus dem gescheiterten Verbotsantrag gegen die NPD gezogen? Und was halten Sie von den erneuten Debatten über ein Verbot der NPD – angesichts einer so großen Wählerschaft?

Wir haben selbstverständlich versucht, die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an der Kommunikation zwischen den Verfassungsschutzbehörden aufzugreifen.

Es ist eine Grundsatzfrage, ob man Extremismus mit einem Parteienverbot in den Griff kriegen kann. Rechtlich ist es jederzeit möglich, ein Verbotsverfahren gegen die NPD einzuleiten. Das liegt aber nicht in unserer Kompetenz. Wir gehen außerdem davon aus, dass ein ganz großer Teil der NPD-Wähler keine Extremisten sind. Die NPD hat ja einen Wahlkampf geführt, der sich besonders an die Protestwählerschaft gewendet hat. In bestimmten Regionen gibt es zwar ein Stammwählerpotenzial, aber das entspricht bei weitem nicht dem Wahlergebnis.

interview: jesko bender