Regime change!

Es geht nicht nur um Bush oder Kerry. Es geht darum, eine rechte Hegemonie in den USA zu verhindern. Deshalb muss Bush weg. von william hiscott

Zugegeben: Für eine kapitalistische Politik stehen beide allemal. Außenpolitisch trennen beide Kandidaten ebenfalls nur Nuancen, bis hin zu Detailfragen, wie der Krieg gegen den Terror und im Irak fortgesetzt werden sollen. Gegenüber Nordkorea und dem Iran will der Herausforderer sogar stärker auf Konfrontation gehen als der jetzige Präsident.

Dennoch gibt es Unterschiede zwischen John Kerry und George W. Bush, die sich vor allem in innenpolitischer Hinsicht zeigen. Bushs Maxime, »wer nicht für mich ist, ist gegen mich«, gilt ihm auch nach innen. Unter seiner Präsidentschaft hat sich die krasse Kluft zwischen Armen und Reichen vergrößert. Bushs Steuer- und Sozialpolitik hat die Verarmung der lohnabhängigen Bevölkerung und der Unterschichten vorangetrieben; die Ignoranz, mit der er etwa dem gesundheitspolitischen Desaster im Land begegnet, ist erschreckend.

Auch in kultureller Hinsicht kennt Bush nur Gut und Böse. Wie kein anderer Präsident in den vergangenen 100 Jahren propagiert er eine zutiefst christliche Weltanschauung. Amerika gilt ihm als eine an christliche Werte gebundene Gesellschaft. Wessen Lebensstil und Weltanschauung nicht in dieses Programm passt, wird von Bush rhetorisch wie politisch ausgeschlossen, seine Lieblingsgegner sind Homosexuelle und Feministinnen, Kosmopoliten und Intellektuelle.

Unterstützt wird Bush von drei verschiedenen, eng miteinander verflochtenen rechten Sammlungsbewegungen. Die stärkste davon ist christlich-fundamentalistisch und hat ihren Ursprung in den Auseinandersetzungen um das Abtreibungsrecht in den achtziger Jahren. Ihr politischer Durchmarsch begann 1994, als sie mit ihrem religiös-konservativen »Vertrag für Amerika« den Republikanern nach Jahrzehnten wieder zu einer Kongressmehrheit verhalf. Im selben Jahr gewann Bush das Amt des Gouverneurs von Texas, dank der Wähler, die mit der Bibel unter dem Arm ins Wahllokal gehen.

Zusammen mit dem alt- und neokonservativen Lager und der patriotischen Rechten ist es diesen Kreisen seit dem 11. September 2001 gelungen, eine furchterregende rechte Hegemonie in der Gesellschaft zu etablieren. Der Einfluss des progressiven und kosmopolitischen Amerika beschränkt sich nur noch auf die nordöstlichen Bundesstaaten, die Westküste sowie die Region um Chicago, und nicht einmal dort sind Demokraten in den bedeutendsten Ämtern.

Zehn Jahre nach den ersten Erfolgen im Kampf um die kulturelle und politische Hegemonie will insbesondere die christliche Rechte Erfolge sehen. Das Abtreibungsverbot, eine Entrechtung von Homosexuellen und eine Christianisierung der öffentlichen Schulen stehen oben auf der langen Liste der unerledigten Dinge – selbst wenn vergangene Woche im Repräsentantenhaus der Antrag der Republikaner, das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen in der Verfassung zu verankern, die nötige Zweidrittel-Mehrheit verfehlte.

Der nächste Präsident wird wahrscheinlich eine ganze Reihe von Mitgliedern des Obersten Gerichts ernennen, dessen Richterinnen und Richter in der Mehrzahl hochbetagt sind. Sollte Bush wieder gewählt werden, wird der konservative Trend auch die verfassungsrechtliche Ebene erreichen. Und diese Entscheidung wird für die nächsten zehn bis 20 Jahre richtungweisend für die amerikanische Politik sein – Zeit genug, eine nachhaltige konservative Umwälzung der amerikanischen Gesellschaft zu bewerkstelligen. Wenn Bush neben der republikanischen Mehrheit im Kongress sowie in den meisten gesetzgebenden Instanzen auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene auch die Mehrheit im Obersten Gericht gewinnt, bestünde kaum noch eine Chance, die Rücknahme vieler progressiven Errungenschaften zu verhindern, für die das amerikanische Experiment steht.

Viel stärker als in anderen Ländern ist in den USA der Präsident eine Art Ersatzkönig, der, insbesondere wenn er auch den Kongress auf seiner Seite hat, die politischen Leitlinien maßgeblich bestimmt. Es wäre verheerend, sollte Bush dieses Amt weiter bekleiden. Nicht nur, weil er damit vier weitere Jahre als Titular der rechten Sammlungsbewegungen im Weißen Haus sitzen würde, sondern weil er mit einer Wiederwahl diesen Bewegungen als aktiver Lenker uneingeschränkt dienen könnte. Eine »konservative Revolution« in den USA aber kann kein vernünftiger Mensch wollen. Schon gar nicht die Linke, egal wie radikal sie sein mag.