Alle gegen alle

In der Föderalismuskommission haben die Länder keinen schlechten Stand. Je mehr Macht sie bekommen, desto größer wird auch die Konkurrenz zwischen ihnen. von regina stötzel

Wer weder die Mitglieder der Bundesregierung noch der Landesregierungen, weder die Abgeordneten des Bundestages noch der Landtage, und auch keine Vertreter des Städtetags seine Freunde nennt, neigt möglicherweise dazu, die Föderalismuskommission mit Missachtung strafen. Ob die einen oder die anderen ein bisschen mehr Macht bekommen, das gleicht der Frage nach Pest oder Cholera.

Allzu viel erfährt man bislang ohnehin nicht über die Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, der Edmund Stoiber (CSU) und Franz Müntefering (SPD) vorstehen. Doch sollten allein die Stichworte »Kommission« und »Modernisierung« genügend Misstrauen hervorrufen, um sich mit diesem obskuren Gremium ein wenig zu befassen.

Es ist eine komplizierte Angelegenheit: die Länder gegen den Bund, Ost gegen West, Nord gegen Süd, Union gegen Rot-Grün. Themen gibt es reichhaltig; von der Bier- über die KFZ-Steuer bis zu Agrarangelegenheiten und Küstenschutz muss alles geregelt werden. Und alle beteiligten Kräfte müssen bei dem, was sie jetzt fordern, bedenken, dass es sich auch dann noch zu ihrem Vorteil auswirken sollte, wenn sich die politischen Kräfteverhältnisse im Land verändern.

Weil die von der Union regierten Länder derzeit in der Überzahl sind, bildet der Bundesrat einen mächtigen Gegenpol zur Regierung. Entsprechend gut ist die Verhandlungsposition der Länder. So wird bereits über ihr »Abweichungsrecht« bei bestimmten Themen diskutiert. Auch soll ihnen in manchen Bereichen die »Umsetzung« von Bundesgesetzen überlassen bleiben, was auch immer das heißen mag.

Bei so weltbewegenden Themen wie Ladenschlusszeiten, Gaststättenrecht und Beamtenbesoldung sollen schon Entscheidungen zugunsten der Länder gefallen sein. Umgekehrt bleiben wohl berufliche Bildung, Sozialhilfe und Jugendrecht Sache des Bundes.

In Sachen Bildung bekommen die Länder mehr Rechte, doch wird über die Einzelheiten noch gestritten. Nach Angaben der Financial Times Deutschland solle die Mischfinanzierung des Bundes und der Länder bei größeren Bauvorhaben »möglichst abgebaut« werden. Die ärmeren Bundesländer könnten statt der bisherigen Fördergelder Unterstützung aus einem Fonds erhalten, den der Bund füllt. Zu vermuten ist, dass sie damit nicht besser fahren.

Am meisten gezankt wurde aber hinsichtlich der Frage der Mitspracherechte in Brüssel. »Hier liegt einer der gefährlichsten Sprengsätze überhaupt«, erfuhr die Berliner Zeitung aus »Verhandlungskreisen«. Bund wie Länder wollen in EU-Fragen ihre Befugnisse ausweiten.

Die Länder – und bei all ihren Forderungen ahnt man die Federführung Edmund Stoibers als Vorsitzenden der Kommission und als Vertreter eines reichen Bundeslandes mit stabiler Regierung – wollen sich Vorteile verschaffen im Wettbewerb um die »besten Köpfe« und die eigenen »Wirtschaftsstandorte«. Und weil die Regierung den Bundesrat schwächen will, muss sie ihnen ein ganzes Stück weit entgegenkommen. Mit Teilen des Grundgesetzes steht implizit auch das darin festgelegte Ziel, möglichst gleiche Lebensbedingungen in allen Teilen des Landes zu schaffen, zur Disposition.

Vorläufig scheinen sich die Mitglieder der Kommission vor allem darauf eingeschworen zu haben, nach außen einen besseren Eindruck abzugeben. Gegenseitige Beschimpfungen und Vorwürfe der Maßlosigkeit waren nach der Klausur am Donnerstag voriger Woche nicht mehr zu vernehmen. »Die Länder wollen immer mehr Kompetenzen, und sie wollen immer mehr Geld«, hatte Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) zuvor noch in der Berliner Zeitung geklagt. Aber solche Sätze werden vermutlich bald wieder zu vernehmen sein, wenn es Anfang November an Fragen der Finanzierung geht.