Löcher im Embargo

Im Wahlkampf gibt sich George W. Bush hart gegen Kuba. Doch im Kongress wächst die Zahl der Befürworter einer Lockerung des Embargos. von knut henkel

Omar Everleny Pérez hatte sein Manuskript für die Tagung längst fertig, als ihn die Nachricht erreichte, dass das beantragte Visum von den USA nicht bewilligt worden sei. Für den Sozialwissenschaftler von der Universität Havanna war das eine herbe Enttäuschung, denn die Konferenz der Latin American Studies Association in Las Vegas gehört zu den wichtigsten Wissenschaftsevents der Lateinamerikanistik.

64 kubanische Wissenschaftler waren eingeladen, doch keines der Visa wurde von den USA bewilligt. Die kubanischen Professoren seien Regierungsangestellte, so der Sprecher des Außenministeriums, Richard Boucher, am 7. Oktober. Deshalb laufe ihr Besuch den amerikanischen Interessen zuwider, da die Wissenschaftler die kubanische Parteilinie vertreten würden.

Doch es sind nicht nur Wissenschaftler, die keine Einreisegenehmigung für die USA erhalten, sondern auch Künstler wie Ibrahím Ferrer. Der Sänger, der mit dem Buena Vista Social Club international bekannt wurde, durfte im Frühjahr zu einer Preisverleihung nicht in die USA reisen. Begründet wurde die Visaverweigerung mit dem Hinweis auf den Artikel 212-F. Demnach seien durch die Einreise die nationalen Interessen und die nationale Sicherheit gefährdet.

»Sieht mein Gesicht wie das eines Terroristen aus?«, empört sich der Sänger. »Meine Waffe ist meine Stimme, und sie bringt Freude und Freundschaft«, sagt Ferrer, der sichtlich verärgert ist, nicht an die Stätten früherer Erfolge zurückkehren zu können. So wie ihm geht es vielen Kollegen. Der Jazzpianist Chucho Valdés bekam kein Visum, um seinen Grammy abzuholen, die bekannte Salsakapelle Los Van Van konnte in den USA nicht spielen. Nach welchen Kriterien die US-Behörden vorgehen, ist nicht ganz ersichtlich, denn erst vor wenigen Wochen trat das kubanische Tanzensemble Havana Night in Las Vegas auf. Bei der Visavergabe hatte es keine Schwierigkeiten gegeben.

Im Wahlkampf gibt sich Präsident George W. Bush gern »tough on Cuba«, um vielleicht entscheidende Wählerstimmen vor allem in Florida zu sammeln. Dort leben zahlreiche Exilkubaner, die eine harte Haltung gegen Fidel Castro fordern, und Florida gehört zu den »swing states«, in denen der Wahlausgang offen ist.

Doch die US-Politik gegenüber der Insel ist nicht mehr aus einem Guss. Bush hat immer mehr Schwierigkeiten im Kongress und gegenüber der Geschäftswelt, seine Linie durchzusetzen. Lange Debatten über die Reisebeschränkungen zeigen dies genauso wie der Druck der US-Agrarlobby, die eine Kreditfinanzierung der kubanischen Lebensmittelimporte fordert, und die steigende Zahl der Reisen von US-Unternehmern auf die Insel.

Dass die Regierung auch anders kann, hat sie erst im Juli gezeigt. Damals wurde ein Deal zwischen einem US-Pharmaunternehmen und einer kubanischen Forschungseinrichtung genehmigt. Für die kubanische Presse war der Kooperationsvertrag zur Weiterentwicklung und Vermarktung von drei Krebsimpfstoffen zwischen dem Institut für Molekularimmunologie (CIM) und der in Kalifornien ansässigen CancerVax Corporation ein historischer Schritt, in der US-Presse wurde dem Vertrag seltsamerweise nicht überall große Aufmerksamkeit gewidmet. Rund vierzig Millionen US-Dollar kann Kuba in den nächsten sechs Jahren dadurch verdienen. Sie sollen, in Übereinstimmung mit dem Embargo, in Form von Lebensmitteln und Medikamenten gezahlt werden. Eine Vereinbarung, die nicht so recht zu den Visaverweigerungen passt. Die kubanische Politik, die Profitinteressen von US-Firmen gegen das Embargo auszuspielen (Jungle World, 16/04), scheint erfolgreich zu sein.