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Bück dich!

Zeitschrift Steinstraße 11. Das Münchner Magazin Steinstraße 11, das sechs Mal im Jahr erscheint, hat ein Problem. In seiner aktuellen Ausgabe widmet es sich unter anderem den sogenannten »Tijuana Bibles«. Diese kleinen schmuddeligen Comic-Strips waren von den Dreißigern bis in die Fünfziger äußerst beliebt. Sie erschienen als achtseitige, zigarettenschachtelgroße Comic-Büchlein und brachen sexuelle Tabus genauso wie das Copyright. Sie parodierten Hitler, Al Capone und die Marx Brothers, aber auch Popeye oder Mickey Mouse und waren stilprägend für den amerikanischen Comic-Underground, der sich dann in den Sechzigern etablierte. Der Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein erklärte sich zum Fan der »Tijuana Bibles«, ebenso wie der Schöpfer des Comics »Maus«, Art Spiegelman.

Letzterer kommentiert dann auch die Schmuddel-Cartoons, die in der »Steinstraße 11« abgebildet sind, und erklärt sie zu einem Kulturgut von historischem Wert. Die Anwaltskanzlei des Grossisten, der die Steinstraße 11 vertreibt, kann jedoch nicht sehen, was kunstvoll an den »Tijuana Bibles« sein soll, und erklärte sie kurzerhand zu Schweinkram, den man nur unter der Ladentheke anbieten dürfe. Die aktuelle Ausgabe der Steinstraße 11 liegt deswegen in den normalen Kiosken und Buchhandlungen nicht aus und kann von interessierten Kunden höchstens als »Bückware« erfragt werden.

Dass der ganze Fall höchst lächerlich ist, dürfte klar sein. Einmal mehr beweist er, wie schwer man sich hierzulande immer noch mit Comics tut, die man einfach nicht von ihrem Image des Minderwertigen befreien möchte. »Tijuana Bibles« sind durchaus pornografisch, dabei jedoch so putzig, dass selbst jedes Kleinkind explizitere Darstellungen von Sex gewohnt sein dürfte. Für die Steinstraße 11 könnte sich der Fall nach all der Aufregung jedoch noch auszahlen. Immerhin verkauft sich »Bückware« im Allgemeinen dann doch äußerst gut, und außerdem konnte der Bekanntheitsgrad des Magazins durch den »Skandal« jetzt schon erheblich gesteigert werden.

Der neue Mensch

Hirnforschung. Eine gute Nachricht haben die Hirnforscher parat: Auch alte Gehirne können noch umlernen. Wir haben also die Chance, das neue Menschenbild zu verstehen, das uns in den nächsten Jahrzehnten ins Haus steht. Die Erkenntnisse der Hirnforschung werden ein solches neues Menschenbild nötig machen. Das jedenfalls behaupten elf deutsche Neurowissenschaftler in dem Manifest, das sie vergangene Woche in der Zeitschrift Gehirn und Geist veröffentlichten.

Zwar üben sich die Autoritäten der Universitäten von Heidelberg, Magdeburg, Berlin, Pasadena und Los Angeles zunächst in Bescheidenheit. Es sei noch überhaupt nicht klar, wie man mit heutigen Mitteln herausfinden solle, nach welchen Regeln das Gehirn arbeitet. Trotzdem empfehlen sie ihr Fach als die Leitwissenschaft der kommenden Jahrzehnte und prophezeien, dass sie in den nächsten 20 bis 30 Jahren den Zusammenhang zwischen Geist und Chemie, zwischen Nervenaktivität und Psyche weitgehend verstehen werden. »Dies bedeutet, man wird widerspruchsfrei Geist, Bewusstsein, Gefühle, Willensakte und Handlungsfreiheit als natürliche Vorgänge ansehen.« Keine allzu neue Erkenntnis, zumindest für Atheisten.

Aufregend an der Hirnforschung werden vorerst nicht die neuartigen Konsequenzen für unser Menschenbild sein, sondern ihre Anwendung auf altbekannten Gebieten: Gedächtnispillen, zuverlässige Lügendetektoren, Gehirnscreening als Einstellungstest, Orgasmus auf Knopfdruck, Bewusstseinserweiterung durch magnetische Hirnstimulation. Da warten große Märkte auf ihre Erschließung. »Memory Phamaceuticals« aus New Jersey erprobt bereits einen »Brain-Booster« gegen den altersbedingten Gedächtnisverlust.

Was man wissen sollte

Zeitschrift Wissen. Die Zeit will mal wieder etwas wagen. Die Redaktion der Hamburger Wochenzeitung wird das vom Stuttgarter Holtzbrinck-Verlag in Auftrag gegebene Magazin Wissen betreuen. Erstmals soll die Zeitschrift in einer Auflage von 200 000 Stück Mitte Dezember am Kiosk ausliegen. »Inhaltlich sind neben klassischen Wissensstücken auch Alltags- und Psychothemen geplant«, weiß der Spiegel. Was genau man sich unter »Psychothemen« vorzustellen hat, bleibt freilich der Fantasie überlassen.

P.S.

Winter. Nicht vergessen: dieses Wochenende bricht in Deutschland wieder die Winterzeit an. Das heißt: die Uhr wird um eine Stunde zurückgestellt.