Integration und Idiotie

Zur deutschen Debatte von deniz yücel

Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan hat eine Idee. »Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass in Moscheen in Sprachen gepredigt wird, die außerhalb der islamischen Gemeinde nicht verstanden werden.« Nicht schlecht, Frau Ministerin. Aber was ist, wenn gewiefte Islamisten ihre Hasspredigten in die Teestube oder auf den Wochenmarkt verlegen? Wer kontrolliert die Trainingsplätze von FC Maroc oder Türkiyemspor? Und vor allem: Wer weiß schon, worüber hinter zugezogenen Gardinen in Köln-Mühlheim oder im Frankfurter Gallusviertel gesprochen wird? Nein, Frau Schavan, Ausländisch in Moscheen zu verbieten genügt nicht.

Der bayrische Innenminister Günther Beckstein scheint sich dessen bewusst zu sein, wenn er fordert: »In Deutschland lebende Ausländer müssen unsere Sprache lernen und unsere Leitkultur anerkennen.« Doch so sehr dieses Gerede das Elend des deutschen Einwanderungsdiskurses offenbart, der politische Fragen stets blindlings in kulturelle umformuliert und das Thema als ordnungspolitisches behandelt, so wenig hat es mit der Bekämpfung des Islamismus zu tun.

Die jüngeren islamistischen Aktivistinnen und Aktivisten könnten jeden Sprachtest Becksteins, an dem so mancher seiner Parteifreunde jämmerlich scheitern würde, mühelos meistern. Längst dient Deutsch als gemeinsame Sprache von arabischen, türkischen, iranischen und konvertierten deutschen Islamisten, wovon man sich etwa beim Berliner al-Quds-Tag überzeugen konnte. Und gegen eine Fereshta Ludin und ihr einen Quadratmeter großes Stück Unfreiheit, in das sie sich stolz einpackt, lässt sich so einiges sagen, aber eben nicht, dass es ihr an Sprachkenntnissen und »Willen zur Integration« mangele. Selbst der Mörder Theo van Goghs hat seine Taterklärung in fehlerfreiem Niederländisch verfasst und dann mit einem Messer in den Körper des Ermordeten gerammt.

Der Islamismus ist keine Folklore, die die Einwanderer aus Anatolien oder dem Atlas mitgebracht haben, sondern ein modernes und politisches Phänomen. Die deutsche Debatte aber erfüllt nur einen Zweck: den Kanaken zu verdeutlichen, dass sie nicht dazu gehören. Und diese Erfahrung trägt dazu bei, dass sich Kinder und Enkel von Einwanderern den Islamisten anschließen, womit nicht selten auch eine bewusste Abgrenzung von den eigenen Eltern verbunden ist.

Nichts ist gegen Deutschkurse für Einwanderer einzuwenden. Unverfroren ist es jedoch, wenn sich die Mehrheitsgesellschaft, die sich jahrzehntelang nur für die Arbeitskraft der Einwanderer interessierte, sich aber einen Dreck darum scherte, ob und wie die Leute Deutsch lernen, dies nun herrisch verlangt und womöglich diese Forderung mit der Drohung von Repressalien verbindet. Lange mussten die Einwanderer ihre Deutschkurse selbst organisieren, was sie, etwa in linken Arbeitervereinen, mitunter auch taten. Und hier liegt auch ein zentrales Problem: Parallel zum Anwachsen des islamischen Fundamentalismus haben sich jene säkularen, linken Organisationen, die einst ein Gegengewicht zu den Islamisten bildeten, aufgelöst.

So erfreulich die vereinzelten Stellungnahmen migrantischer Leute und Organisationen gegen Islamismus und Antisemitismus sind, so sehr muss man leider feststellen, dass es sich hierbei um Organisationen mit geringer Basis oder Personen ohne Einfluss handelt. Dennoch gebührt diesen Stimmen Solidarität. Etwa einer Ayhaan Hirsi Ali, die mit van Gogh den inkriminierten Film gedreht hat und sich nun verstecken muss. Darum geht es, und nicht, wie Frau Schavan ebenfalls zu wissen glaubt, um »Toleranz«. Die reklamieren schließlich auch die meisten Islamisten, die nicht militant sind, sondern nur fromm.