»Die Rechten wurden dominant«

Der Vorstandsvorsitzende der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf, klaus kaasch, und das Vorstandsmitglied michael moreitz traten von ihren Ämtern zurück. Der Grund sind rechtsextreme Haltungen im Ortsverband

Was waren Ihre Beweggründe, Ihre Ämter niederzulegen?

Michael Moreitz: Ich bin aus dem Vorstand ausgetreten, weil dort eine rechte Gruppe dominant geworden ist. Es fing an mit einer Person, die aus einer rechten Bürgerinitiative kam und der es gelungen ist, andere Leute nachzuziehen, sodass sich die Mehrheitsverhältnisse bei den Mitgliederversammlungen veränderten. Es konnten keine linken, fortschrittlichen Positionen mehr verhandelt werden.

Das Problem ist auch, dass es eine Koalition von Personen in der Mitgliederversammlung gibt, die zum Teil auch mit Linksruck zu tun haben oder aus dem bürgerlichen, eher unpolitischen Milieu kommen, die sich dagegen wehren, dass man solche rechten Leute aus der Wahlalternative ausschließt.

Was deutet denn darauf hin, dass diese Person von Rechtsaußen kommt?

Klaus Kaasch: Derjenige, der zu Beginn aufgetreten ist, hat von sich selbst gesagt, dass er der Gründer einer »Wählerinitiative Bürger und Kleingärtner« ist. Ich habe ein Flugblatt von dieser Initiative bekommen. Darin stand: »Scheinasylanten raus aus Deutschland, kriminelle Ausländer müssen unser Land verlassen! Deutsche Sozialhilfeempfänger werden diskriminiert; Asylanten und Flüchtlinge werden in den Himmel gehoben! Ist Deutschland überhaupt noch Deutsch(Land)?« Dieses Flugblatt habe ich auf einer Vorstellungsrunde zur Wahl der Bezirksvorstände vorgelegt. Die Reaktion darauf war Schweigen. Einer sagte: »Wir schmeißen auch keine Linken raus, wir sind schließlich eine breite Bewegung.«

Nach einer Recherche im Internet kam dann noch heraus, dass diese Initiative sich zusammen mit dem Bund freier Bürger an einer Demonstration gegen das Holocaust-Mahnmal beteiligt hat. Da wurde die übliche Argumentation der Neonazis vorgetragen, das Mahnmal sein ein Schandfleck, der Deutschland ständig vorgehalten werde usw.

Ist diese Person von der Wählerinitiative mit rechtsextremem Material bei der Wahlalternative aufgetaucht?

Kaasch: Nein, das nicht.

Wie sind Sie weiter vorgegangen?

Kaasch: Es gab dann hitzige Diskussionen, die wir abmildern wollten, indem wir vorschlugen, zu dem Thema Vorträge zu halten, um die Diskussion auf eine sachliche Ebene zu bringen. Wir hatten einen Vortrag vorgeschlagen unter dem Motto: die Wahlalternative und rechtsextremistische Organisationen. In unserem Vorstand wurde daraus ohne Rücksprache das Thema: die Wahlalternative und extremistische Organisationen. Es sollte also darüber diskutiert werden, dass wir weder Rechte noch Linke dabei haben wollen. Wobei diese Leute etwa gegen Linksruck nichts einzuwenden haben.

Welche Rolle spielten die Leute von Linksruck in der Diskussion?

Moreitz: Ich habe erlebt, dass auch Leute von Linksruck sich dagegen ausgesprochen haben, dass man Rechte ausschließen sollte. Sie wollen ja diese Sammlungsbewegung initiieren. Da treffen sich die Rechten und die so genannten Linken, indem sie entpolitisieren. Sie wollen möglichst viele Leute zusammenbringen, die mit Hartz IV nicht einverstanden sind, und das war’s dann.

Es muss doch Reaktionen gegeben haben, als Sie dieses ausländerfeindliche Flugblatt vorlegten.

Kaasch: Als Reaktionen kamen Angriffe gegen mich mit der Begründung, ich würde mich profilieren wollen, indem ich, statt mit dem Menschen zu reden, ihn diffamieren würde. Als ich später das Problem im Internetforum der Wahlalternative darstellte, gab es darauf zwei Reaktionen. Die eine kam vom Landesvorstand, von Klaus-Dieter Heise und von Helge Meves. Sie führten eine Erklärung des Beschuldigten an, in der er gesagt hatte, er habe mit dem Flugblatt etc. nichts zu tun und habe auch nichts davon gewusst. Sie haben einfach seine Erklärung übernommen und nicht nachgeforscht. Ich habe ihnen dann auch die Information über diese Demonstration gegen das Holocaust-Mahnmal zukommen lassen, und darauf gab es dann überhaupt keine Reaktion mehr.

Das ist das Schlimme an der Geschichte. Von Seiten der Wahlalterative wurde über Wochen hinweg nichts unternommen, diesen Fall zu recherchieren. Mit uns ist auch nie gesprochen worden.

Wie schätzen Sie die Wahlalternative insgesamt ein? Es gab ja auch Berichte, dass sich Leute von der Schill-Partei in Hamburg an der Wahlalternative beteiligt haben sollen.

Moreitz: Zumindest für Steglitz-Zehlendorf scheint zu gelten, dass »unpolitische Leute« sich zusammenfinden, die sich einfach nur ärgern und von der neuen Gesetzgebung betroffen sind. Sie haben aber keine Perspektive, sich kritisch mit den bestehenden Verhältnissen auseinanderzusetzen. Und deswegen werden in so einer diffusen Sammlungsbewegung, in der sich auch Karrieristen tummeln, nicht einmal Gewerkschaftspositionen akzeptiert, weil die zu links seien.

Ich habe den Eindruck, dass es daran liegt, dass man möglichst viele Leute gewinnen will und dass darunter die Politisierung leidet.

Rechtsextreme haben ja immer wieder versucht, an dieser sozialen Bewegung teilzunehmen, etwa an den Montagsdemonstrationen. Ist das eine Unterwanderungsstrategie der Rechten oder liegt es an den diffusen Inhalten der Bewegung?

Kaasch: Eine geplante Unterwanderungsstrategie der Rechten in Bezug auf die Wahlalternative ist nicht belegbar. Was aber deutlich wird, ist, dass viele Leute empört darüber sind, dass ihr Portemonnaie leerer wird. Sie erhoffen sich von der Wahlalternative eine Lösung. Sie machen sich aber keinerlei Gedanken über die Ursachen für die jetzige Gesetzgebung. Sie haben ein äußerst verschwommenes Bild von den politischen Vorgängen. Solche Leute können sehr schnell von Rechten vereinnahmt werden. Die Wahlalternative hat derzeit eine sehr diffuse Programmatik. Auch damit wollen sich viele Mitglieder nicht auseinandersetzen.

Moreitz: Die Mehrheit der unpolitischen Bürger ist eben tendenziell rechts und konservativ, das muss man zur Kenntnis nehmen. Der Rechtsextremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Und diese Leute finden sich eben jetzt auch bei der Wahlalternative in Steglitz-Zehlendorf wieder.

interview: stefan wirner