Hauptsache Sicherheit

Biometrischer Pass, Superpolizeibehörde, Antiterrorgerichte ohne Geschworene und vieles mehr: Großbritannien plant eine Verschärfung der Antiterrorgesetzgebung. von hito steyerl, london

In Großbritannien ist Wahlkampf. Im Frühjahr sollen Parlamentswahlen stattfinden, ein genauer Termin steht noch nicht fest. Pünktlich zum Beginn der neuen Sitzungsperiode des Parlaments ließ die regierende Labour-Partei von der Königin die anstehenden Gesetzesvorhaben der Regierung verkünden. Dominiert wird das Programm vom Thema Sicherheit. Allein acht der 23 vorgeschlagenen Gesetzentwürfe befassen sich mit diesem Thema – von der Verschärfung der Antiterrorgesetzgebung bis zur Eindämmung von Vandalismus. Neben der Einführung neuer Personalausweise mit biometrischen Daten soll auch eine neue Superpolizeibehörde namens Soca entstehen, die Englands Version des FBI darstellen soll.

Eine der größten Rollen im Wahlkampf wird jedoch ein Gesetzentwurf spielen, der erst im Frühjahr vorgestellt werden soll. Die Vorschläge von Innenminister David Blunkett für die Verschärfung der Antiterrorgesetzgebung werden auf keinen Fall vor den Neuwahlen beschlossen, da noch eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des 2001 beschlossenen Antiterrorismusgesetzes aussteht; sie können daher als reiner Wahlkampfbeitrag interpretiert werden. Nach bisheriger Rechtslage können unter anderem ausländische Staatsangehörige, die unter Terrorverdacht stehen, unter Notstandsrecht unbefristet interniert werden. Die Gültigkeit dieser Notstandsregelung läuft im November 2006 aus – bis dahin muss sie erneuert oder aufgehoben werden. Seit ihrer Verabschiedung hat die britische Regierung die Europäische Menschenrechtskonvention »ausgesetzt«, was faktisch bedeutet, dass das Gesetz dagegen verstößt.

Die derzeitigen Vorschläge zur Erweiterung dieser Notstandsgesetzgebung sollen das im Jahr 2000 verabschiedete Gesetz gegen Inlandsterrorismus mit der neuen Gesetzgebung fusionieren. Unter anderem ist die Schaffung spezieller Antiterrorgerichte vorgesehen, die ohne Geschworene arbeiten können. Auch abgehörte Informationen sollen dort als Beweismittel zugelassen werden können. Des weiteren soll ein neuer Straftatbestand eingeführt werden, der die Vorbereitung von Terrorakten sanktioniert. Damit soll die bislang geltende unbefristete Internierung durch ein geregeltes Strafverfahren ersetzt werden. Auch die Handlungsfreiheit von Personen, die dem Dunstkreis des Terrorismus zugerechnet werden, soll durch gerichtliche Auflagen eingeschränkt werden können. Fallen gelassen wurden dafür unter anderem Vorschläge, die Beweisschwelle in Terrorverfahren zu senken oder Präventivverfahren mit geheimer Beweisführung abzuhalten.

Blunketts Ideen werden weithin als Leitmotiv für Labours Wahlkampfstrategie verstanden. Mit dem Thema Sicherheit versucht Labour, sich so weit rechts zu positionieren, dass es selbst den Konservativen schwer fällt, dies zu überbieten. Deren Wahlkampfspots zum Thema innere Sicherheit wirken vergleichsweise lahm. Aus dem US-Wahlkampf hat Labour den Schluss gezogen, dass nur eine konsequente Politik der Angst eine weitere Legislaturperiode garantieren kann. Schon jetzt wird Tony Blair als der erfolgreichste konservative Premierminister aller Zeiten bezeichnet.

Ein weiterer Grund ist, dass die Labour-Partei sich mit diesem Thema wieder ihren traditionellen Wählerschichten aus der Arbeiterklasse zuwendet, nachdem sie erkannt hat, dass der durch den Irakkrieg bei den liberalen Mittelschichten verursachte Vertrauensbruch kaum noch zu kitten ist. Daher wird neben der Terrorismusabwehr auch besonders die Bekämpfung so genannten asozialen Verhaltens für wichtig erachtet. Die Betonung der im europäischen Vergleich günstigen Wirtschaftslage soll ein weiteres Standbein der Labour-Strategie für einen Wahlkampf bilden, den die zwei großen Parteien – auch das nach amerikanischem Vorbild – wohl in harmonischer Einigkeit über alle relevanten Themen bestreiten werden.