Wuppertaler Sprengungen

In Wuppertal wurden Antifas, die gegen einen Neonaziaufmarsch demonstrierten, wegen versuchten Sprengens einer Versammlung verurteilt. Ein Präzedenzfall? von nils brock

Für Rechtsanwalt Wolfgang Heiermann sind die politischen Hintergründe offenkundig: »Was in Wuppertal aufgezogen wird, ist ungewöhnlich. Aber meines Erachtens handelt es sich hier um ein politisch motiviertes Verfahren. Da wird einigen Antifas vorgeworfen, eine Versammlung von Neonazis gesprengt zu haben, noch bevor diese Versammlung überhaupt stattgefunden hat.« Er spricht über das Berufungsverfahren der acht Antifas, die er am 1. Dezember vor dem Landgericht Wuppertal vertreten wird.

Seine Mandanten und 61 weitere linke Protestierende waren vor einigen Monaten in erster Instanz wegen versuchter »Sprengung« eines Neonazi-Aufmarschs verurteilt worden. Am 11. Januar vergangenen Jahres hatte der Nationalist Christian Worch seine braunen Kameraden nach Wuppertal bestellt, und die örtliche Antifa war angetreten, diese Veranstaltung entsprechend zu würdigen.

Ob man dabei von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz sprechen kann, ist indes zweifelhaft. Die Räumung des Oberbarmer Bahnhofs in Wuppertal, bei der der Bundesgrenzschutz (BGS) und die Polizei gewaltsam gegen einige Dutzend linker Gegendemonstranten vorgingen, behinderte das anschließende Stelldichein der Neonazis kaum. Die Rechtsextremen, die auf dem Bahnhof eintrafen, erreichten den nahe gelegen Versammlungsort ohne Probleme. Sie dürften den robusten Einsatz der Staatsgewalt auf den benachbarten Gleisen wohl eher als herzlichen Empfang empfunden haben.

Die Antifas und ihre juristischen Vertreter sind zuversichtlich, mit ihrer Berufung Erfolg zu haben. In dem Verfahren gegen zunächst acht Demonstranten des Bündnisses »Wuppertal stellt sich quer« steht einiges auf dem Spiel, nicht zuletzt die künftige Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Amtsgericht Wuppertal die 69 auf dem Bahnhof festgenommen Antifas wegen Verstoßes gegen Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes zu Strafen zwischen 30 und 50 Tagessätzen verurteilt. Sollte das Landgericht dieses Urteil nun bestätigen und die Berufung abweisen, würde ein Präzedenzfall geschaffen. Denn bisher wurden nicht genehmigte Gegendemonstrationen meist als Ordnungswidrigkeiten geahndet.

Der Vorwurf der beabsichtigten Versammlungssprengung ist völlig anderer Qualität und könnte künftig häufiger als Mittel gegen jegliche Form linken Protests bei genehmigten Neonazi-Aufmärschen angewandt werden. Nach Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes könnten in Zukunft auch Haftstrafen von drei Jahren gegen Antifas verhängt werden.

»Die Wuppertaler Gerichte sind ja inzwischen für ihr hartes Durchgreifen gegen Linke bekannt«, kommentiert eine Sprecherin des Autonomen Zentrums Wuppertal die Verhandlung. Vor allem Staatsanwalt Heinrichs habe ein gesteigertes Interesse, sich mit dem Berufungsverfahren zu profilieren. Die Sprecherin, die selbst auf dem Oberbarmer Bahnhof verhaftet und anschließend verurteilt wurde, ist vom Ausmaß des jetzigen Berufungsverfahrens überrascht. »Es steht doch in keinem Verhältnis mehr, dass für ein Strafmaß von meist 300 Euro acht Prozesstage angesetzt sind«, sagt sie.

Die konkreten Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft hält sie nicht für begründet. Angeblich hätten einige Antifas die Gleise blockiert, um die Ankunft von Neonazis zu behindern. Sie aber beklagt, die Beamten des BGS hätten die linken Gegendemonstranten von den Bahnsteigen geprügelt, nachdem sie sie auf dem Bahnhof eingekesselt hatten.

»Bei diesem Verfahren geht es ganz klar darum, die Aktivitäten gegen Neonazis zu kriminalisieren«, meint Rechtsanwalt Heiermann. Die Wuppertaler Linke hat für Mittwoch, den 1. Dezember, zu einer spontanen Demo vor dem Landgericht aufgerufen – ohne Anmeldung.