Vor der großen Flut

Am Rudi-Dutschke-Strand in Thailand. von christian y. schmidt

Am Strand steht eine einzelne Frau und jongliert verbissen mit drei Keulen, an denen bunte Tücher kleben. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt. »No Man’s Woman« steht darauf. Ihr Gesicht ist böse, und die Bosheit strahlt so kräftig, dass man dahinter keinen weiteren Gedanken erkennt. 30 Meter weiter räumt ein Indianer Gläser ins Regal der Strandbar. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass der Indianer keiner ist, sondern ein Thai mit langen Haaren und einem Stirnband. In der Hängematte liegt Mr. Chip. Auch er ist Thai, und außerdem ein Schlepper. Mit dem heutigen Tag ist er zufrieden. Sein Lachen und sein Spruch: »Mr. Chip – wie cheap« haben gezogen; er hat Bungalows vermittelt, Mopeds verliehen und ein bisschen Gras verkauft. Es sind auch wieder viele Deutsche gekommen, und Mr. Chip mag die Deutschen. Sie staunen immer so niedlich, wenn er zu ihnen auf deutsch »Kommen Sie«, »Aaso« oder »Scheißendreck« sagt. Es ist Nachmittag in der Klong Jark Bucht, kurz vor Sonnenuntergang, und alle warten auf den Abend.

An einem Bambustisch vorm Restaurant sitzen Elke und Ralf aus Nürnberg. Gerade kommt Babsi zu ihnen rübergeschlurft. Elke und Ralf fürchten sich ein bisschen, denn Babsi hat eine Krankheit: Minipli. Sonst ist Babsi harmlos. Alles steht in ihrem Gesicht geschrieben: das Suburb-Hochhaus, das Heroin von früher, die Whisky-Cola und der Cola-Rum. Ein blasses Kind klammert an ihren Beinen. Es hat verweinte Augen und keinen Namen. Das heißt, niemand weiß ihn, denn Babsi nennt das Kind nur »Kind«. Babsi fragt: »Fahrt ihr auch morgen nach Bangkok? Wir könnten uns da treffen und was zusammen machen.« Elke und Ralf fahren nicht. Sie haben gerade noch mal verlängert. Das vierte Mal schon. Babsi sagt: »Dann verlängere ich auch. Ist ja schön hier.«

»Wirklich schön«, denkt im selben Moment Jacques und streckt sich auf der Plattform aus: »Bloß die vielen Deutschen.« Die Plattform steht ganz nah am Meer, alte Teppiche liegen drauf, Windlichter hier und da, und kleine Holzplatten als Schemel. Jacques trägt die schütteren Haare kurz und einen Drei-Tage-Bart; seine Hamsterbacken werden in letzter Zeit immer größer. Scheiß drauf, sagt sich Jacques, dafür bin ich braun gebrannt, in der Musikindustrie und aus Paris. Da entdeckt er ab und zu arabische Rapper und macht sie, sagt er, reich und glücklich. Jacques trägt das weiße Leinenhemd, das weiße Männer ab 40 in den Tropen gerne tragen. Er findet, es steht ihm wirklich gut. Jetzt nippt er an seinem White Russian und sieht sehr deutlich zu »No Man’s Woman« rüber. Jacques macht einen Plan, das kann jeder sehen.

Auch die Thaiboys nehmen ihre Position links neben der Bar ein. Sie lehnen da auf einem Haufen bunter Decken und Kissen an einer Bambusmattenwand. Ping sitzt mitten unter ihnen, doch er ist seit heute anders als die anderen. Er hat einen neuen Vorsatz: »Ich schlafe nicht mit den Touristenmädchen. Nicht mehr. Mit keinem.« Hinter dem kleinen Kap kommt ein Schnellboot hervorgeschossen; es jagt in Richtung Sonne. Ping lächelt und sagt: »Bullet to paradise.«

Jetzt ist alles fertig, jetzt kann die Sonne untergehen.

Musik setzt ein, uraltes Zeug, wahrscheinlich der CCR-Titel »Have you ever seen the rain«. Die Musik kommt vom iPod an der Bar. Es sind nur alte Hits auf ihm gespeichert, fast alle aus den Siebzigern. Die Strandbars dieser Welt scheinen einen Vertrag mit den Oldieradiostationen geschlossen zu haben. Die Bars verpflichten sich, in jedem Urlaub per Dauerbeschallung neue Oldiefans zu produzieren – so geht den Oldie-Stationen zu Hause die Kundschaft niemals aus. Im Gegenzug beliefern die Sender die Strandbars immer neu mit ewig gleichem Material.

Bei Maja und Verena hat das Programm bereits angeschlagen; sie wiegen sich im Takt. Die beiden sind Freundinnen aus Karlsruhe, erst 23 und schon Lehrerinnen. Dabei sehen sie immer noch wie Schülerinnen aus, besonders Maja mit all dem Babyspeck im Gesicht und an den Hüften. Maja hasst es, so kindlich auszusehen, und hat sich deshalb ein paar Piercings zugelegt. Durch die Nase, im Bauchnabel und da unten.

Die Kinder-Lehrerinnen tänzeln sich an einen Tisch heran, an dem Ben, Marie und Max sitzen und essen. »Hey«, sagt Maja. »Wir wollen noch mal schnell in die Stadt. Unser Moskitonetz hat ein Loch, und wir brauchen noch so andere Sachen. Aber die Thais hier verlangen wahnsinnig viel Kohle. Wenn einer von euch mitkommt, wär’s billiger.« – »Was wollen sie denn?« – »500 Baht.« – »Nee, danke, wir brauchen nichts. Wir bleiben hier.«

Die Sonne geht jetzt wirklich unter, zwischen den Felsen, die am Horizont im Meer liegen. Es geht so schnell, dass man sich wundert, nicht ein lautes »Platsch« zu hören. Die Lehrerinnen erreichen die letzten Strahlen auf der Ladefläche des Pick-Up. Der Sonnenuntergang erinnert Maja an Björn. Mit sechzehn hat sie ihn kennen gelernt, vor drei Monaten haben sie geheiratet. Es musste schnell gehen, damit Maja nichts aufs Land versetzt wird. Das machen sie nämlich mit jungen Lehrerinnen, die Single sind. Die Schweine, denkt Maja, aufs Land. Da gibt’s doch gar nichts. Keine jungen Leute, keine coolen Clubs, nur schlechte Videotheken und Piercer, die ihre Nadeln mit Kuhscheiße desinfizieren. Ein warmer feuchter Tropenwind zerzaust Majas Haare. Gleich wird ihr etwas besser.

»Gut, dass die beiden Kühe weg sind«, sagt Max zu Ben und Marie. »Die spinnen doch: ›Wahnsinnig viel Kohle‹. 500 Baht sind nicht mal zehn Euro, und dafür 25 Kilometer. Ich glaub, es hackt.« Max ist Energietechniker, spezialisiert auf »erneuerbare Energien«. Er kommt aus Berlin-Kreuzberg. Marie (Wilmersdorf) und Ben (Prenzlauer Berg) hat er am Nachmittag beim Schnorcheln kennen gelernt. Berliner erkennen sich irgendwie immer in der Fremde, man sagt, sie riechen sich.

Max ist zum ersten Mal in Asien. »Okay, ich bin eigentlich der Südamerika-Typ. Aber dann kam die Ulrike und hat Ko Lanta vorgeschlagen. Wenigstens diese schöne Insel.« Ulrike ist Max’ Ex. »Okay, was heißt Ex? Wir waren mal vor zehn Jahren zusammen. In diesem Urlaub … Wir wollten einen Weg finden, wie wir Freunde bleiben.« Drei Tage haben Ulrike und Max das ausprobiert. Sex stand nicht zur Debatte. »Okay, wir hatten zusammen eine Bambushütte. Getrennte Hütten, das wäre ja affig. Okay, gegen ein bisschen Kuscheln hätte ich nichts einzuwenden gehabt, ich meine, ist doch schön, oder … Naja, und dann kam der Franzose.«

Hinten auf dem Meer beginnt ein großes, grünes Licht zu leuchten, wie von einem gerade gelandeten Ufo. Es gehört zu einem Kutter, der mit Licht die Fische anlockt. Aus den Boxen heult Phil Collins: »Another day in paradise«. Ben geht zur Bar und beschwert sich; »No Man’s Woman« legt beim Jonglieren einen Zahn zu. Die Keulentücher verwirbeln zu einem Farbenschlier. Jacques legt ein Flackern in seinen Blick. Das kann er manchmal, er weiß auch nicht, wie er das macht, es passiert einfach. Neben ihm hat Olav mit drei Schwedinnen Platz genommen. Olav studiert irgendwas mit Höhlenforschung, und die Schwedinnen sind jung, blond und schwedisch. Sie reden Englisch miteinander und können deshalb an diesem Strand nichts weiter sein als Statisten.

»Der Franzosenstecher, das war so ein echter Schmierlapp«, bricht es aus Max heraus. »Und die Ulrike ist dann auch ganz schnell mit ihm weg. Die sind jetzt zusammen drüben in Phuket, in so’m Spitzenressort. Da ficken sie sich die Seele aus dem Leib. Okay, sie brauchte es wohl dringend.« – »Ja«, sagt Marie, »so wird es wohl gewesen sein.« – »Franzose eben …«, meint Ben.

Max ist froh. Zwei Tage war er alleine, allein mit diesen Bildern. Jetzt kann er endlich alles erzählen. »Okay, es geht mir gar nicht um das Dass. Sondern wie das abgelaufen ist. Als ob da nie etwas gewesen wäre. So brutal.«

Die Plattform füllt sich langsam. Jacques’ Flackern hat gewirkt: »No Man’s Woman« sitzt ihm gegenüber. Sie trinkt ein großes Glas Brandy Alexander. Die beiden sprechen Französisch und sehen sich dabei in die Augen. Als stünde sie unter einem Bann, schwindet das Böse langsam aus ihren Augen. Ping hat sich neben Olav und die Schwedinnen gesetzt. Niemand hat ihn kommen sehen, und niemand sieht, wie er einen Joint baut, nur Klaus, der Journalist. Klaus hat eine Glatze und ein zu kurzes Bein. Er hat Ping beobachtet, die ganze Zeit. Jetzt steht er auf, schleicht sich an und lässt sich wie unabsichtlich neben Ping fallen. Es ist die Kiffergier, die ihn antreibt, doch Ping scheint das nicht zu stören. Er zündet den Joint an, zieht und reicht ihn Klaus rüber. »Come. Ticket to the moon.«

Jetzt kann es losgehen. Jetzt kann was passieren.

Das Wasser schlappt an den Strand, ein leichter Wind geht. »Tomorrow never dies«, sagt Ping, zieht am Joint und lehnt sich gegen das Geländer der Plattform. »Daran glaube ich, verstehst du, was ich meine.« Klaus nickt, damit er noch mal ziehen kann. Ping kam vor vier Monaten nach Klong Jark. »Mein Vater ist Rambutanpflanzer bei Krabi. Darauf hatte ich keine Lust. Hier kann ich machen, was ich will. Sind gute Leute hier.« Was Ping genau macht, weiß keiner. Mal sieht man ihn Gepäck vom Pick-Up in die Bungalows tragen, mal spielt er mit den Kindern. Ping ist immer da. Und dann sind da noch die Touristinnen: »Nein, ich schlafe nicht mehr mit den Touristenmädchen«, sagt er in seinem eigenen Englisch, das ungefähr so klingt, wie von einem Spastiker gesprochen. »Ich warte jetzt auf die Richtige.« »Und woher weißt du, dass es die Richtige ist?« »Ich erkenne sie mit dem Herzen.« Klaus nickt noch mal und denkt: Aha. Das ist also deine Masche.

»Tschüss denn, ich gehe in die Pofe«, verkündet Babsi etwas zu laut. »Ist ja mal wieder nichts los. Männermäßig und überhaupt. Komm, Kind.« Das Kind fängt an zu plärren. Über die Schlammstraße nähert sich ein Pick-Up, auf dem die Lehrerinnen mit zerzausten Haaren sitzen. Der iPod spielt »Smells like teen spirit« zur Begrüßung, den aktuellsten Oldie im Programm. Die Kinderlehrerinnen springen von der Ladefläche und tänzeln synchron zur Plattform. Die Kiffer sind das Erste, was sie sehen: »Das gibt’s doch nicht«, seufzt Maja. »Ihr habt ja Blättchen. Und dafür sind wir extra in die Stadt gefahren.« »Für so viel Kohle«, doppelseufzt Verena.

Am Strand zünden die Thaiboys ein Lagerfeuer an. Olav und die Schwedinnen setzen sich dazu. »Cool. Lagerfeuer«, sagt Maja und tanzt sofort zum Strand. Ping steht auf und folgt ihr. Von irgendwo zwischen den Bungalows kommt ein lauter Schrei. »Scheiße, Scheiße, Sauerei!« Die Stimme gehört einer Frau mit Bo-Derek-Frisur: Angela aus Bremerhaven. Sie stürzt auf die Restaurantterrasse und schreit weiter, als hielte sie eine Ansprache vor ein paar tausend Menschen, ohne Mikrophon: »Ey Leute, wir haben Kakerlaken in unserer Hütte. Hat einer vielleicht was, um die – äh – loszuwerden? Was Biologisches?« Niemand antwortet. »Oder kann mir wenigstens einer von euch Arschlöchern sagen, was Kakerlaken auf Englisch heißt?«

Das Restaurant schließt, die letzten Gäste schlurfen auf die Plattform. Ralf, Elke, Max, Niklas und Paul auch. Jacques steht auf und zieht »No Man’s Woman« an den Händen auf die Füße. Jetzt ist das Flackern auch in ihren Augen. Hinten zwischen den Bambusbungalows hakt sich die Frau, die keinem gehört, bei Jacques ein. Auf der Plattform sitzen nur noch Deutsche.

»Na, Klaus, wie lautet die Tageslosung im kleinen roten Buch für heute«, fragt Elke mit ironischer Betonung. Gestern hat sie erfahren, dass Klaus mal bei einer K-Gruppe war, vor 100 Jahren. Seitdem macht sie sich darüber lustig. Elke ist 40 und kommt aus der Frauenbewegung, weshalb sie manchmal ihre Haare zu einem Zopf flicht, den sie sich wie ein Nest um den Kopf legt. In Nürnberg arbeitet sie mit jugoslawischen Flüchtlingsmädchen. »Ach«, sagt Klaus nur leicht genervt, »du Nebenwiderspruch.« Der iPod spielt »Break on through to the other side«, auf dem Meer verlöscht das Ufo-Licht, so dass nur noch die Windlichter und das Lagerfeuer die Plattform beleuchten.

»Kleines rotes Buch«, fragt Niklas. »Du meinst, die Mao-Bibel? Seid ihr alte Linke oder so was?« – »Ja, so was«, sagt Klaus. »Ganz seltene, kostbare Tiere.« – »Ich auch«, sagt Elke, die nicht richtig mitgekriegt hat, was Klaus gesagt hat. »Krass. Habt ihr auch noch die RAF-Zeit erlebt?« – «Ich war mit Baader in einer Klasse«, sagt Klaus. – »Ach, komm. Verarsch uns nicht.« – »Also«, sagt Klaus und hustet: »Was wollt ihr wissen?« – »Was habt ihr damals gedacht?« – »Quatschfrage. Aber ich … Ich gebe dir einfach mal ein Beispiel. Wichtig war der Tag, als die Nachricht von Holger Meins’ Tod kam. Dieses Foto in der Zeitung. Er sah doch aus wie am Kreuz gestorben, wie Jesus. Ich habe damals gedacht: Jetzt geht’s los. Jetzt werden wir uns alle bewaffnen. Anders geht es nicht.« – »Wann war’n das?« – »1974.« – »Nee«, sagt Elke, »das war früher.« – »Genau«, sagt Niklas, »1974 war doch Schleyer.« – »Ey, Niklas, du Penner«, schreit Paul dazwischen, »Schleyer war gar nicht RAF. Das war 2. Juni.« – »Ihr seid doch mal gerade 24, oder? Woher habt ihr denn eure ganze Weisheit?« fragt Klaus. – »Internet. Da gibt es richtig coole Seiten zu dem Thema.«

Auf dem Fischerboot haben sie ganz plötzlich das grüne Licht wieder angeschaltet. Es scheint noch stärker als vorhin und wirft einen Kegel, der bis zum Ufer reicht. Eine Dreiergruppe tanzt auf das Licht zu: vorne Maja und Ping, etwas hinterher Verena. Sie bleiben im Lichtkegel und werden Schattenrisse. Ping zeigt mit ausgestecktem Arm hinaus in der Ferne: »Tomorrow never dies. Verstehst du das?« Maja nickt entschieden und lehnt sich an Pings Schulter. Dabei denkt sie wieder an Björn und an die Schweine da oben: Aufs Land. Sie werden mich trotzdem hinschicken. Fuck. Ping legt den Arm um Maja. Er drückt sie an sich und flüstert: »Weißt du, was ich mir heute vorgenommen habe?« – »Nein«, sagt Maja und denkt: Der ist süß. So süß war Björn auch mal. »Du bist die Richtige«, sagt Ping und zeigt mit großer Geste auf seine Brust, wo das Herz sitzt. »Ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet.« Dabei zieht er sie aus dem Lichtkegel heraus, hinein ins Dunkle und hinunter auf den Sand. Verena setzt sich abseits. Sie hält ihre Knie mit den Armen umschlungen, starrt zum Ufo rüber und sagt leise vor sich hin: »Die Maja wieder. Was soll’s. Ist ja schön hier. Und außerdem umsonst.«

»Jetzt noch mal von vorn«, sagt Klaus. »Erstens: Peter Lorenz war 2. Juni, und 1975. Zweitens: Schleyer war 1976 und die RAF.« – »Bei mir«, sagt Elke, »kam alles später, weil ich jünger bin. Entscheidend war 1976. Benno Ohnesorgs Tod in der Badewanne, das hat mich total erschüttert.« Klaus kann es nicht fassen: »Herrje, Elke, die Badewanne war Dutschke. Außerdem war’s ’79. Die Spätfolgen des Attentats. Ohnesorg wurde 1967 erschossen, und zwar am 2. Juni.« – »Nein, das kann nicht sein. Das war auf keinen Fall so früh. Schlag mich tot, K-Grüppler, das weiß ich sicher …« Mein Gott, denkt Klaus. Was soll man da machen?

»Hey, Klaus, was, glaubst du, war die bessere Waffe? Die Walther PPK oder die Sig Saur?« will Niklas wissen. »Und hast du mal ein AK 47 gesehen. Also in echt?«, fragt Paul. – »Am Arsch«, entfährt es Klaus. »Fahrt einfach 100 Kilometer weiter und seht euch den Krempel bei den Moslems an, die da kämpfen. Vielleicht spendieren sie euch noch ’ne echte Kugel.« Alles schweigt. Es wird ein langes Lagerfeuerschweigen, das sich nicht so leicht durchbrechen lässt.

Endlich sagt Elke in die Nacht: »Es ist furchtbar.« – »Was?« – »Mein Gedächtnis. Ich bringe alles durcheinander. Immer öfter.« – »Was denn?« – »Alles. Namen, Daten, Erlebnisse. Jetzt habe ich sogar schon den Rudi mit Benno Ohnesorg verwechselt. Ich weiß nicht mehr, was mit meinem Kopf los ist.« – »Ist nicht schlimm, Elke«, sagt Klaus, und seine Stimme klingt ungewohnt mild. »Wirklich nicht. Heutzutage ist alles wurscht. Vielleicht ist es sogar besser, wenn wir den ganzen Scheiß vergessen.«

Mr.Chip ist der erste, der am nächsten Tag aufsteht. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. »Vielleicht kommen wieder ein paar Deutsche«, sagt Mr. Chip zu sich selbst. »Das sind so lustige Leute.« Dann schlappt er zum Strand herunter, um nach ankommenden Langbooten zu sehen. An der Wasserlinie liegt ein nasser, dunkler Klumpen. Hey, denkt Mr. Chip, und bückt sich. Es ist ein T-Shirt. »No Man’s Woman« steht darauf. »Aaso«, sagt Mr. Chip.