Wahlkampf macht schlau

Föderalismuskommission von michael jäger

Am Anfang der Diskussion um eine Reform des Föderalismus stand der Wunsch der Wirtschaftsverbände und der Bundesregierung, dass eine Regierung nicht so viele Gesetze mit einem Bundesrat abstimmen müsse, in dem die von der Opposition regierten Länder die Mehrheit haben. Die Opposition verlangte als Gegenleistung, dass die Länder künftig im Geist der Konkurrenz, nicht des Lastenausgleichs miteinander umgehen.

Vor allem das von den Landesregierungen geforderte Recht, die Art der Ausführung von Bundesgesetzen eigenständig bestimmen zu können, sollte einen »Wettbewerbsföderalismus« schaffen. Das »Zugriffsrecht« hätte die Gesetzgebung des Bundes auf bloße Rahmengesetze reduziert. Noch am Tag vor dem Scheitern der Verhandlungen im Dezember glaubte die Öffentlichkeit an ihr Gelingen und hörte auch von den Beteiligten nichts anderes. Dann hieß es plötzlich, man habe sich über die Frage der Bildung heillos zerstritten.

Dies zwingt den Beobachter zum Perspektivenwechsel. Bildung wird wohl eines der großen Themen des Bundestagswahlkampfs sein. Die SPD will das Schul- und Vorschulwesen nach skandinavischen Vorbildern reformieren. Sie hat in den Ländern bereits damit begonnen, etwa mit dem neuen Berliner Schulgesetz, das Mitte des Jahres gültig wird.

Im vorigen Jahr behauptete die Bundesregierung, das durch Hartz IV eingesparte Geld würde für eine bessere Vorschulerziehung ausgegeben. Gleichzeitig solle der Nachwuchs besser auf den Arbeitsmarkt vorbereitet und berufstätige Frauen sollten entlastet werden. Jede Menge Versprechen, die sich prima zum Fang von Wählerstimmen eignen. Das Problem ist nur, dass das Grundgesetz die Bildung bislang zur Ländersache erklärt. Vermutlich ahnte die Opposition die Pläne der Bundesregierung und gab sich deswegen nicht mehr mit dem ausgehandelten »Zugriffsrecht« auf Bundesgesetze zufrieden.

Bereits während des Verlaufs der Kommissionsarbeit durfte man rätseln: Warum lehnten alle Bundesminister, die zu Wort kamen, das »Zugriffsrecht« ab, während der Vorsitzende der Kommission, Franz Müntefering (SPD), nichts dagegen einzuwenden hatte?

Die Bundesminister sahen die Folgen für ihr Ressort. Die Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) etwa wünscht sich ein Umweltgesetz, das nicht in jedem Bundesland anders ausgelegt werden kann. Müntefering hingegen ist als SPD-Vorsitzender Wahlkämpfer. Er will mit einem Kanzler werben, der, ohne von der Zustimmung des Bundesrates abhängig zu sein, Gesetze durchsetzt, egal, was die Länder später daraus machen.

Die von der Opposition geführten Länder hingegen hätten dem Bund am liebsten auch noch die wenigen Bildungskompetenzen, die er hat, abgerungen, insbesondere das Recht zur Hochschulrahmengesetzgebung. Aber nicht daran ist die Kommission gescheitert, sondern am Versuch des Bundes, in die Schulpolitik einzugreifen.

Welche Haltung soll nun der Beobachter einnehmen? Am besten, er interessiert sich vor allem für die Frage, ob eine Schulreform nach skandinavischem Vorbild sinnvoll ist oder nicht. Egal, ob sie vom Bund oder von den Ländern durchgesetzt wird, und unabhängig von dem falschen Versprechen, eine solche Reform würde auch die Arbeitslosenrate senken.