Alles wieder gut

Im Rathaus wird gezeigt, was der Landesregierung gefällt: Zwangsarbeit in Hamburg war gar nicht so schlimm. von gaston kirsche

Eine Slawistikstudentin steht entgeistert vor der Tafel »Erneutes Unrecht«: »Diese Ausstellung ist total beschönigend. Als das richtig Schlimme erscheint hier ja die Behandlung in der Sowjetunion, und Hamburg ist Weltmeister im Wiedergutmachen – wenn auch spät.« Es geht um die Ausstellung über Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus, die im Hamburger Rathaus zu sehen ist. Sie trägt den Titel: »In Hamburg ist meine Jugend geblieben.«

»Das, was wir nach der Befreiung erlebt haben, war schlimmer als die Gefangenschaft selbst«, wird die ehemalige Zwangsarbeiterin Klawdija Panteleewna Agafomowa zitiert. Im Abschnitt »Nach dem Krieg« heißt es: »In ihrer Heimat wurden sie von der stalinistischen Bürokratie und der sowjetischen Gesellschaft als ›Vaterlandsverräter‹ angesehen. Unzählige wurden in sowjetische Arbeitslager eingewiesen.« Während die Ausstellung nahe legt, dass hauptsächlich die Gestapo Schuld trug an der Zwangsarbeit, kommen die deutsche Gesellschaft und die deutschen Täterinnen und Täter gut davon. Sobald es aber gegen die Sowjetunion geht, ist die Analyse ebenso schonungslos wie pauschal.

Das verwundert, wurde die Ausstellung doch von MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erarbeitet. Es ist zu vermuten, dass die Zusammenarbeit mit dem Hamburger CDU-Senat bei der Ausrichtung eine Rolle gespielt haben könnte. Anders lässt sich etwa der Abschnitt »Ein Besuchsprogramm für Zwangsarbeiter« kaum erklären. Man erfährt darin, dass Besuche in Hamburg, am Ort ihrer Zwangsarbeit, den ehemaligen ArbeiterInnen »seelische Erleichterung« bringen. Auf der Tafel »Spurensuche in Hamburg« heißt es ähnlich verallgemeinernd, die Betroffenen empfänden »eine tiefe Befriedigung, diese Orte noch einmal gesehen zu haben«. Zwar mag das für einige zutreffen, doch soll offenbar in der Ausstellung die Aufklärung über NS-Verbrechen zugunsten der »Versöhnung« zurücktreten.

Im Rahmenprogramm der Ausstellung findet am 10. Februar die Veranstaltung »Entschädigung der Zwangsarbeiter – eine Bilanz« statt. Referieren wird dort nicht etwa ein Angehöriger oder eine Angehörige der Opferverbände. Es spricht Günther Saathoff, der offizielle Vertreter der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, der »Stiftung der deutschen Industrie«, welche die Entschädigungszahlungen so lange hinauszögerte, bis ihr schmerzhafte Urteile US-amerikanischer Gerichte drohten.

Bereits im Haushalt für das Jahr 2004 kürzte der Hamburger Senat das Geld für das Besuchsprogramm ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, mit dem sich die Ausstellung brüstet, drastisch: »Die bereits angelaufenen Vorbereitungen für die Einladung zweier ehemaliger Zwangsarbeitergrupppen aus Weißrussland und den baltischen Staaten für das Jahr 2005 wurden sofort abgebrochen«, wie Karl-Heinz Schultz vom Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erklärt. Sein Mitstreiter Klaus Möller bilanziert: »Der Kurswechsel der Hamburger Bürgerschaft stürzt den Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme in große Probleme.« Diese Aussagen bekommt aber nur zu sehen, wer das in kleiner Auflage fotokopierte Informationsblatt des Freundeskreises liest.

Die Willi-Bredel-Gesellschaft, die in Hamburg-Fuhlsbüttel zwei ehemalige Zwangsarbeiterbaracken restauriert hat und darin eine kleine Dauerausstellung unterhält, ist offener. »Die laufende Förderung wurde 2004 um 25 Prozent gekürzt«, sagt der Vorsitzende Hans Matthaei der Jungle World. »Angesichts der Bedeutung des Themas Zwangsarbeit haben wir versucht, die Baracken an Neuengamme als weitere Außenstelle abzugeben. Die Verhandlungen sind nach dem Regierungswechsel zu Beust und Schill gescheitert.«

Die Ausstellung »›In Hamburg ist meine Jugend geblieben‹ – Zwangsarbeit in Hamburg 1940–1945« ist bis 11. Februar in der Rathausdiele zu sehen.