Teatime mit Tony

Der Irakkrieg soll im britischen Wahlkampf keine Rolle spielen. Blair setzt auf innenpolitische Themen. von dirk kaisers, london

Von einem »britischen Abu-Ghraib« war in den vergangenen Wochen überall die Rede. Die Veröffentlichung auf den Titelseiten der britischen und ausländischen Presse von Bildern, die Misshandlungen irakischer Gefangener durch britische Soldaten in Basra zeigen, sorgte für große Erschütterung. Die von diesen Bildern ausgelöste Empörung ging jedoch in Großbritannien nicht über die moralische Kritik hinaus, jedenfalls ging man nicht so weit, die Kriegsbeteiligung Großbritanniens in Frage zu stellen. Alles scheint sich mittlerweile schon wieder in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Premierminister Tony Blair beschränkte sich darauf, die Bilder »schockierend« zu nennen, der Fall Basra wurde als Einzelfall abgetan, und mit dem Beginn des Prozesses in Osnabrück Mitte Januar (Jungle World, 4/05) ist das Thema für die Regierung abgeschlossen und wird als armeeinternes Problem angesehen.

Die britische Armee muss sich nun von den Kriegsunterstützern vorwerfen lassen, dass sie ihre Soldaten nicht optimal auf die bevorstehenden Operationen vorbereitet hat. Die Angeklagten sagten vor Gericht aus, dass für die Operation »Ali Baba« – in deren Rahmen die britischen Soldaten im Mai 2003 die Order bekommen hatten, straffällig gewordene Iraker »hart anzupacken« – kein schriftlicher Befehl vorgelegen habe. Zwar habe Major Dan Taylor seinen Soldaten den Befehl gegeben, Plünderer, die Lebensmittel und andere Waren aus dem von ihm geleiteten Lager für humanitäre Hilfe in Basra gestohlen hatten, hart anzufassen, aber er habe nur mit den besten Absichten gehandelt, sagte Taylor vor Gericht in Osnabrück. Er wurde schon mal vorsorglich von der Armeeleitung in Schutz genommen.

Nach der Veröffentlichung der Fotos wurde aber deutlich, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt, und dass es schon zu vermehrten Übergriffen britischer Soldaten kam, die jedoch bei weitem nicht so gut dokumentiert sind.

Dass es nun ausreichend Anschauungsmaterial über den Alltag britischer Soldaten im Irak gibt, hat die Öffentlichkeit Corporal Gary Bartlam zu verdanken. Er kam auf die brillante Idee, während seines Dienstes in Basra Schnappschüsse für daheim zu machen und die Filme nach der Rückkehr in einem Fotoladen entwickeln lassen. Er ist nun Hauptzeuge der Anklage. Der gesamte Vorfall wird nun von der Armee bearbeitet und die Öffentlichkeit wird wohl erst wieder an der Urteilsverkündung interessiert sein.

Damit der Irakeinsatz nicht prinzipiell in Frage gestellt wird, versucht Blair schon seit einigen Monaten, die ganze Aufmerksamkeit auf die Innenpolitik zu lenken, mit der Labour die Wahlen im Mai gewinnen will. Zum einen zieht Blair nun durch die Gegend und lädt sich selbst zum Teetrinken in Sozialwohnungen ein oder bestellt sich schon mal mit seinen Kumpels ein Pint im Pub und will so an die Wurzeln von Labour erinnern. Der größte Themenkomplex seiner Wahlkampagne ist aber die innere Sicherheit. Schon Ende letzten Jahres hat die Regierung die Einführung von Personalausweisen durchgesetzt und wird sich im Laufe des Wahlkampfes noch andere Maßnahmen ausdenken, die dafür sorgen sollen, dass Terroristen keinen Anschlag in Großbritannien durchführen können. Terroristen sind in diesem Fall »illegale« Ausländer, und auf diese Karte setzen auch die Tories unter der Leitung von Michael Howard. Er will im Fall eines Wahlsieges die Zuwanderung beschränken und Quoten nach australischem Muster einführen, die das Auswählen von erwünschten Arbeitskräften erleichtern sollen.

Die Auswirkungen des Folterskandals werden wohl erst mit Abschluss des Prozesses zu erkennen sein, wobei es höchstens zu einer Umstrukturierung der Befehlsketten kommen dürfte. Weder Blair noch seine Partei scheinen durch den Folterskandal ernsthaft Schaden genommen zu haben.