Die Linke stellt ein

Viele alternative und soziale Projekte wollen Ein-Euro-Jobs anbieten. Diskussionen über die staatlich subventionierte Nischenökonomie werden schärfer. von martin kröger

Das Geld verballern wir dann für Theater, Spaßbad und Saufabende und legen noch etwas in ein Zeitungsabo an, damit wir Jobs finden, denn nach sechs Monaten ist alles vorbei – erst mal«, heißt es in einer Annonce einiger Arbeitsloser aus Berlin-Friedrichshain. Dem Zwang, zu einem Ein-Euro-Job verdonnert zu werden, wollen sie offensiv begegnen und suchen nach 50 Gleichgesinnten. Die brauchen sie, um selbst als Träger von Ein-Euro-Jobs auftreten zu können.

Das Geld für die Erholungsabende soll über die Einbehaltung der Verwaltungspauschale erwirtschaftet werden, die die Bundesagentur für Arbeit für jeden Betroffenen ausbezahlt. 500 Euro kassieren die Träger solcher Tätigkeiten pro Ein-Euro-JobberIn. Davon erhalten die Betroffenen maximal 186 Euro Lohn. Der Rest, so die Theorie der rot-grünen Bundesregierung, soll für Regie, Verwaltung sowie Fort- und Weiterbildungen da sein. Wie diese Qualifikationsmaßnahmen aussehen könnten, ist allerdings Auslegungssache. Nur wenige glauben, dass die Träger tatsächlich qualifizieren.

Da sind die Friedrichshainer Erwerbslosen, die für ihren gemeinnützigen Verein noch MitstreiterInnen herbeisehnen, weiter: »Von den übrig bleibenden 15 820 Euro bezahlen wir zwei Minijobs, die uns verwalten, und mieten ein kleines Büro, kaufen einen Computer und ein Telefon. Aufträge erteilen wir nur an uns bekannte Personen mit hohen Honoraren, die uns dann weiterbilden und einen Teil des Honorars steuerabzugsfähig wieder an den Verein zurückspenden.« Die Annonce endet mit dem Satz: »Das ist kein Scherz, das kann funktionieren.«

Dass das funktionieren kann, denken sich zurzeit auch viele linke Projekte oder solche, die es einmal waren. In ehemals besetzten Häusern wird überlegt, ob die anstehende Sanierung nicht mit Ein-Euro-Jobbern geleistet werden könnte. Ein Cafe-Kollektiv im Prenzlauer Berg diskutierte ebenfalls darüber, Ein-Euro-Jobs anzubieten. Nicht überall in der alternativen Szene will man die Pauschale von 500 Euro pro Person fast vollständig an die Ein-Euro-JobberInnen weitergeben.

Selbst Gruppen, die im Herbst noch gegen Hartz IV auf die Straße gingen, beteiligen sich an der Einrichtung von Ein-Euro-Jobs. So bietet der Arbeitslosenverband Deutschland solche Stellen an. Im brandenburgischen Luckau mussten bereits die ersten JobberInnen die Tätigkeiten antreten, die im offiziellen Jargon »Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung« (MAE) heißen. Unverblümt gibt der Verband zu, die Verwaltungspauschale einzubehalten.

»Wir richten gerade Ein-Euro-Stellen ein«, erzählt eine Verwaltungskraft des Berliner Frauenzentrums Frieda. Näher möchte die Angestellte nicht darauf eingehen, weil zurzeit mit dem zuständigen Bezirksamt darüber verhandelt werde. Bei den örtlichen Behörden ist die so genannte Trägervertretung angesiedelt. Das Gremium, das aus jeweils drei VertreterInnen der lokalen Behörden und der Arbeitsagentur zusammengesetzt ist, entscheidet über die Schaffung der MAE-Stellen.

Gerade die von den sozialen Kürzungen besonders hart betroffenen Frauenprojekte versuchen, die über die Jahre etablierte Nischenökonomie aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) aufrechtzuerhalten, indem sie jetzt Ein-Euro-Jobs anbieten. Weiterbildungsmaßnahmen biete man doch bereits seit Jahren an, ist oft als Rechtfertigung zu hören. Außerdem träten die Betroffenen selbst an die Projekte heran und wünschten eine Anstellung .

Auch im soziokulturellen Bereich werden fleißig Ein-Euro-Jobs eingerichtet. Ob der Kreuzberger Club SO 36 oder das Ostberliner Kulturzentrum Pfefferberg, bei der Etablierung eines Niedriglohnsektors mögen nur wenige zuschauen.

Sind die Ein-Euro-Jobs »politisch korrekt rigoros abzulehnen oder sollen wir sie für eigene Projekte nutzen, damit wir offiziell in Ruhe arbeiten können?« fragten jüngst die Gruppen Netzwerk Selbsthilfe und Initiative Anders Arbeiten auf ihrer Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung. Die befürchteten Folgen der Ein-Euro-Jobs wie die Aushebelung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, Lohndumping und Zwang seien bereits sieben Wochen nach der Einführung deutlich. Auch die Behauptung, dass Ein-Euro-Jobs der Integration in den ersten Arbeitsmarkt dienten, habe sich als Chimäre erwiesen.

»Wenn sich das so weiter entwickelt, wäre es nicht verwunderlich, dass demnächst auch die Privatwirtschaft den Zugriff auf ALG-II-EmpfängerInnen bekommt. Die lecken sich doch schon jetzt die Finger danach«, sagt Anne Berger*, die die erste Betroffenenversammlung von Ein-Euro-JobberInnen in Berlin mitorganisiert hat und sich in der Berliner Kampagne gegen Hartz IV engagiert. Dass nun auch linke Projekte dieser Entwicklung in die Hände arbeiten, ist für sie ein Skandal: »Das kommt mir vor wie die Gewerkschaftspolitik der letzten Jahre. Es wird mitgespielt, und dann jammern alle, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist.«

Einigen konnte sich die Runde auf der Veranstaltung nicht. Immerhin teilte ein Großteil der Anwesenden die Minimalforderung, dass die Projekte die gesamten 500 Euro an die JobberInnen auszahlen und das Geld nicht einbehalten sollen. Dass es dazu kommt, glaubt Berger allerdings nicht. »Die wollen sich doch nur selbst sanieren«, vermutet sie, »weil sie denken, dass sie damit ökonomisch auf einen grünen Zweig kommen.«

Bereits jetzt hätten sich viele Vorgaben wie etwa die »Zusätzlichkeit« solcher Tätigkeiten, wie sie im Gesetz festgelegt ist, als fadenscheinig herausgestellt, sagt Berger, die regelmäßig gemeinsam mit anderen Besuchsspaziergänge zu den Arbeitsplätzen von Ein-Euro-JobberInnen organisiert. »Die Ein-Euro-Jobber werden für alles eingesetzt, was anfällt, von Zusätzlichkeit keine Spur«, hat Berger beobachtet.

Auch die Initiative Anders Arbeiten bleibt bei ihrer Ablehnung von Ein-Euro-Jobs in Alternativprojekten. »Trotzdem muss gesagt werden, dass es überhaupt nichts bringt, jetzt über die einzelnen Projekte herzufallen«, stellt Marie Klaus* von Anders Arbeiten klar. »Als im letzten Jahr Frauen- und Jugendprojekte gegen die sozialen Kürzungen der rot-roten Berliner Regierung auf die Straße gingen, hat sich niemand darum gekümmert«, sagt sie. »Und jetzt sollen das die Bösen sein? Das ist doch Unsinn.« Sinnvoller sei es, das Bewusstsein für die generellen »neoliberalen Veränderungen« zu schärfen und dem Stellenabbau und dem Druck auf die Löhne entgegenzutreten, »damit die Leute aus der individuellen Betroffenheit rauskommen und zusammenfinden können, so wie es im letzten Sommer kurzzeitig den Anschein hatte«.

*Namen von der Redaktion verändert.