Nachrichten

Demnächst auch amtlich tot

Tresor. Am 16. April wird es nun definitiv und hundertprozentig und mit absoluter Garantie so weit sein: Der Tresor, Berlins legendärer Technoclub, wird schließen. Schon seit Jahren wurde die Schließung regelmäßig angekündigt, und dann ging es doch irgendwie immer weiter. Doch dieses Mal, wie gesagt, ist es garantiert: Der Letzte macht das Licht aus.

So richtig traurig muss man darüber freilich nicht sein. Seine besten Zeiten hat der Laden längst hinter sich, und die Geschichten von unglaublich inspirierenden Technoorgien, die hier in den Neunzigern abgehalten wurden und bei denen Schweiß, Bier und vielleicht sogar Körpersäfte von den Decken tropften, erzählen sich greis gewordene Ex-Raver heute beim gemeinsamen Kinderwagen-durch-den-Tierpark-Schieben.

Der Tresor stand zuletzt bloß noch für reine Techno-Nostalgie. Er ist das Monument der oft beschworenen Berlin-Detroit-Achse. Die tolle Geschichte von Detroiter Techno-Innovatoren, die in ihrer Heimatstadt nichts galten, in Berlin ein zweites Zuhause fanden und den Tresor zu ihrem Wohnzimmer erklärten, ist tief in seine Mauern eingeschrieben. Doch längst sind dies eben die Mythen von damals, während sich heute hauptsächlich Vorstadtprolls auf der Suche nach Abfahrt in den Tresor verirren, für die ein DJ aus Detroit so gut wie ein Plattenaufleger aus Neubrandenburg ist. Wer in Berlin heute auf der Suche nach so etwas wie einer Technokultur ist, begibt sich jedenfalls längst nicht mehr in den Tresor, sondern in das Watergate oder das Berghain.

Dennoch wird im Tresor kurz vor Schluss nochmals der eigenen Historie gedacht. Man wird zu einer großen Abschiedsparty laden, die mindestens eine Woche lang gehen soll und auf der Jeff Mills und seinen Kollegen aus Detroit hinter der DJ-Kanzel die Gelegenheit gegeben werden soll, angemessen bye-bye zu sagen. (aha)

Ghetto Deutschland

HipHop. »Rap in D« heißt die erste »Special Issue« der HipHop-Zeitschrift Juice, die nun zusammen mit einer DVD am Kiosk erhältlich ist. In der Nummer geht es, wie der Titel andeutet, um die Geschichte des so genannten Deutschrap. Rein ins Heft durfte also nur, wer einen deutschen Pass vorweisen konnte.

Nun haben diese »Pop in D«-Sondernummern von Musikzeitschriften immer etwas Trauriges. Eigentlich wäre man in diesem Land popmusikmäßig gerne unheimlich glossy unterwegs und würde ebenso gerne auch dem internationalen Markt etwas Relevantes bieten. Im Sektor Techno und elektronische Musik funktioniert das ja auch, beim HipHop gar nicht. Deswegen musste man den »Deutschrap«, seit er Anfang der Neunziger in D immer populärer wurde, auch hegen und pflegen wie ein seltsames Tier. In Rezensionen von »Deutschrap«-Platten schreibt man bis heute bevorzugt: »Platte XY aus D muss sich nicht hinter einer Ami-Produktion verstecken« und ähnliches. Der »Deutschrap« leidet also ganz arg an Minderwertigkeitsgefühlen, und seit sich für ihn selbst ehemalige »Deutschrap«-Befürworter kaum noch interessieren, ist es nur noch schlimmer geworden.

Auf der ganzen Welt wird HipHop immer größer, »Deutschrap« dagegen – trotz Kool Savas oder Sido – immer irrelevanter. Eigentlich hätte die Juice-Sondernummer »Das war Rap in D« heißen müssen. (aha)

Unser bester Mann

Spider Murphy Gang. Beinahe hätte man es schon aufgegeben, nach irgendwelchen Popgrößen aus Deutschland zu fahnden, die ausnahmsweise mal nicht für eine Deutschquote im Radio sind. Schließlich ist die Phalanx der Quotenbefürworter inzwischen zu schier unüberschaubarer Größe angewachsen.

Doch es gibt noch Hoffnung. Die FDP startet sogar eine Kampagne gegen die Quote, und vor allem Günther Sigl von der Spitzengruppe Spider Murphy Gang ist ab sofort unser Mann. Denn der Sänger dieser Perle deutscher Popkultur ist schlichtweg gegen die Quote. Er selbst hätte zwar nichts dagegen, seine eigene Gesangsstimme öfters mal im Radio zu hören, aber dennoch: Die Sender zum deutschen Liedgut zu zwingen, sei keine Lösung, gab er bekannt. Wir fordern deshalb im Namen von Günther Sigl: Spielt mehr Spider Murphy Gang im Radio. (aha)

Mucke gegen Rechts

Antifaschismus. Antifa heißt: stets einen Schritt hintendran zu sein. Man reagiert lieber auf etwas, anstatt selbst Zeichen zu setzen. So wie die Schlange auf das Kaninchen blickt die Antifa auf Nazis. Das bundesweite Antirassismus-Projekt »Aufmucken gegen Rechts«, das von dem Jugendverband »solid« initiiert wurde und von der Hans-Böckler-Stiftung, der Stiftung Demokratische Jugend und anderen Gruppierungen unterstützt wird, macht es der Antifa nun nach. Mit der Compilation »Bunte Vielfalt statt brauner Monokultur« reagiert man auf eine CD mit Nazimucke, die mit der Unterstützung der NPD vor kurzem an deutschen Schulhöfen verteilt wurde, anstatt sich etwas Eigenes zu überlegen.

Im Grunde ist die Aktion hochnotpeinlich. Zuerst zeigen die Neonazis ihre Sicht der Dinge an den Schulhöfen, nun präsentiert die Vereinigung »Aufmucken gegen Rechts« mit 50 000 an Schulen verteilten CDs die ihre. Eine gewisse Bewunderung für das Naziprojekt schimmert hier durch, schließlich hat man deren Idee schlichtweg kopiert, und man scheint ernsthaft zu glauben, dass Neonazis durch das Genießen von »Aufmucken gegen Rechts« vielleicht doch wieder auf den rechten Weg zurückkommen könnten.

Außerdem wäre da noch etwas zu der Musikauswahl auf »Aufmucken gegen Rechts« zu sagen. Entschuldigung, aber mit Konstantin Wecker lässt sich heutzutage Jugendlichen kaum noch vermitteln, dass links auch cool sein könnte. (aha)

Unter Freunden

Rolf Hochhuth. Der schon seit längerem nicht mehr ernst zu nehmende deutsche Dramatiker Rolf Hochhuth leidet nun anscheinend endgültig an geistiger Anämie. Neben anderem kruden Zeug hat er nun der Jungen Freiheit gesteckt, dass sein Kumpel, der »Historiker« und berühmte Holocaust-Leugner David Irving, unbedingt ein toller Typ sei, »ein fabelhafter Pionier der Zeitgeschichte, der großartige Bücher geschrieben hat«. (aha)