Tu was, Taugenichts!

Ein-Euro-Jobs und der Berliner Kapitalismus von winfried rust

»Für ’nen Euro kannste arbeiten gehen, / da kommste auch nicht / auf dumme Ideen. / Tu doch was Gutes / für deine Umwelt. / Denk doch nicht immer / ans schnöde Geld.« Es war skurril, als neulich Ghettoblaster in der Freiburger Innenstadt wummerten und sieben Arbeitszwerge dazu rappten.

Man mache sich nichts vor, nur eine Minderheit in diesem Land lehnt die Ein-Euro-Jobs entschieden ab. Darunter befinden sich jene, die von einem Kapitalismus träumen, der ohne Zwang auskommt, wie etwa die Befürworter des Existenzgeldes. Die anderen wollen weder Kapitalismus noch Zwang.

Die Mehrheit der Bevölkerung aber befürwortet Repressalien. Wer essen will, soll auch arbeiten, lautet die Parole des Arbeitsdienstes. Zynischer ist nur noch die Haltung, die rot-grüne Sozialarbeiter gegenüber den Arbeitslosen einnehmen. Da kommen der Arbeitszwang als Therapie und der offene Vollzug des Ein-Euro-Dienstes geradezu als liberal daher.

»Es ist entwürdigender, zu Hause zu hocken«, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Ihr gilt ein Leben ohne Dienst an der Gemeinschaft offenbar als sinnlos.

In dem Moment, da die Arbeit strukturell weniger wird, wird sie massenhaft verordnet. Die Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit etwa ließ Ein-Euro-Jobber Wände aufbauen, grün, gelb und blau streichen, um sie dann wieder abzureißen. Andere sollten mit einem Teppichmesser Teppiche in kleine Teile schneiden, aber nicht, um zu lernen, wie man Teppiche verlegt, sondern um sie anschließend in den Müllsack zu werfen.

Wenn der Flur sauber geputzt war, wurde er von einer fest angestellten Mitarbeiterin der Beschäftigungsgesellschaft mit Schmiere verdreckt. Als die Ein-Euro-Jobber von sich aus den Wunsch äußerten, etwas sinnvollere Tätigkeiten zu erledigen, wie etwa Grünanlagen zu säubern, hieß es seitens der Gesellschaft, dies sei nicht möglich, berichtete die Hamburger Illustrierte.

Weigert sich eine Arbeitslose, den demütigenden Arbeitszwang zu leisten oder sinnlose Bewerbungen zu schreiben, so wird ihr die Lebensgrundlage entzogen, und moralisch gilt sie als Unperson. »Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«, heißt es seit der Aufklärung. Aber wenn ein Arbeitsloser im Land der Exportweltmeister wider die Arbeitsreligion argumentiert, strafen ihn die Schergen.

Ressentiments schlagen den Arbeitslosen gleichermaßen aus der Bevölkerung, aus der Politik und von Seiten des Kapitals entgegen. Mögen Lohnarbeitende und Arbeitslose auch in der gleichen Mühle stecken, mit den staatlich abgewerteten Ein-Euro-Jobbern wird eine Gruppe von Menschen einem Arbeitszwang unterworfen, der zuvor nur einige Sozialhilfeempfänger betraf. Der Staat fungiert ihnen gegenüber als Schikanenregime, die Nation als Schicksalsgemeinschaft. Das ist die moralische Ökonomie des Berliner Kapitalismus.

Die Zwerge aber rappen weiter: »Den ganzen Tag schuften, / ihr habt doch ’nen Knall. / Etwas Besseres als die Arbeit / findet ihr überall.«