Das ist nicht unser Haus

Hunderte von öffentlichen Gebäuden stehen in Berlin leer, doch nur für die Unterhaltskosten will sie der Senat nicht an Initiativen vermieten. von christoph villinger

Wie wär’s mit der alten Kurt-Held-Schule mitten in Kreuzberg am Görlitzer Park, dazu die alte Turnhalle als Konzertsaal? Alles in schönstem Backstein. Sie wird nach dem Sommer leer stehen. Oder, vielleicht architektonisch etwas verspielter, der mit orientalischen Elementen geschmückte ehemalige Krankenhauskomplex des Bethanien zwischen Kreuzberg und Mitte? Zurzeit stehen dort bereits über 1 000 Quadratmeter leer. Wer es etwas funktionaler haben will, für den gibt es eine Schule mit riesigem Hinterhof in bestem DDR-Platten-Design, direkt an der Frankfurter Allee in Friedrichshain. Sie steht seit dem Jahr 2003 leer.

Zu einem guten Dutzend unbenutzter öffentlicher Gebäude führte die Initiative für ein Soziales Zentrum in der vorigen Woche etwa 40 Interessierte durch die Stadt. Die Bustour begann an der vor über einem Jahr besetzten ehemaligen Kindertagesstätte in der Glogauer Straß 16. Seit der Räumung steht sie wieder leer, aber Geld zum Heizen hat der Bezirk genug. Ein Vertragsabschluss scheiterte bisher vordergründig daran, dass der Bezirk Miete will und nicht nur die Betriebs- und Bewirtschaftungskosten.

Dabei hatte der rot-rote Berliner Senat im November 2004 genau das Gegenteil hinsichtlich der »Zwischennutzung leer stehender Gebäude« beschlossen. Diese können für »förderungswürdige und gemeinnützige Zwecke« an Vereine und sonstige Interessenten gegen Bezahlung der Unterhaltskosten vermietet werden. Allerdings überwacht dies der Liegenschaftsfonds des Landes Berlin, und er achtet nicht nur auf die »wirtschaftliche Leistungsfähigkeit« des Interessenten, sondern auch darauf, dass »das Ziel eines Verkaufs der betreffenden Grundstücke nicht beeinträchtigt wird«.

Inzwischen sind »rund 8000 Objekte beim Liegenschaftsfonds gelistet«, berichtet Uschi Volz-Walk von der Initiative für ein Soziales Zentrum, die die Bustour moderierte. Auf Seiten der Politik herrsche große Angst, dass »sie uns nicht mehr rauskriegen, wenn wir mal drin sind«.

Drei Stunden lang tourt der Bus durch die Stadt, vorbei an etlichen alten Schulen oder Kitas, mal im Stil alter Backsteingebäude, mal im DDR-Chic. Am Michaelkirchplatz 4 befindet sich ein mindestens seit 2001 leer stehendes, allerdings etwas schmuckloses Gebäude von Verdi. »Von 8,5 Millionen Euro für dieses Gebäude träumt Verdi«, erzählt Uschi Volz-Walk. Und da viele der Mitfahrenden auch Gewerkschaftsmitglieder sind, betrachtet man sich als »Miteigentümer«. Ganz abgesehen davon, dass das nahe gelegene und aufwendig modernisierte Bruno-Taut-Haus der Gewerkschaft ebenfalls leer steht.

Der Leerstand von fünf Gebäuden einer Schule in der Kastanienallee 82 im Bezirk Prenzlauer Berg soll demnächst beendet werden. Als sich mehrere Genossenschaften, die Stiftung SPI und eine Bürgerinitiative mit dem Namen Forum K82 für das Gelände interessierten, vergab das Bezirksamt Pankow es kurzerhand an eine private Sprachenschule, einen »investitionsstarken« Bewerber. Rechtsanwaltlich vertreten ließ sich die Sprachenschule unter anderem von dem früheren Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen, wie die Bürgerinitiative berichtet. Dagegen hatte das Konzept des Forums K82 mit einem Stadtteilpark und einem Zentrum für selbständige, kooperative Arbeit und Bildung offensichtlich wenig Chancen.

Am Ende der Bustour fragen sich die Teilnehmer: Welches Gebäude nehmen, wenn man es kriegen könnte? Viele der Schulgebäude wären nur mit einem großen Bündnis von sozialen und politischen Initiativen und Künstlern zu übernehmen. Als es darum geht, welches Gebäude denn nun das schönste sei, sind Bethanien und die Kurt-Held-Schule eindeutig die Objekte der größten Begierde.