Her mit dem heißen Flirt!

Wer in Partnerbörsen chattet, hat einfach nur eine Möglichkeit mehr, einen netten Menschen kennen zu lernen. von marcus peter

Mal abgesehen davon, dass Partnerbörsen im Internet nicht wie die Zeugen Jehovas jede Haustür bekehren wollen – es also jedem freisteht, ob er an solch einer virtuellen Selbstverkupplung teilnehmen will – und daher die Frage, ob Partnerbörsen abzulehnen sind oder nicht, etwas ins Leere läuft: Ich persönlich finde diese Plattformen toll!

Beim ersten Surfen durch die Galerien der diversen Lonely-Heart-Clubs stellt sich zunächst eine gewisse Verwunderung ein. Es ist ein wenig wie früher, als man im Quelle-Katalog vor Weihnachten die Spielzeugseiten durchblätterte: Schieres Erstauen darüber stellt sich ein, was es hier alles gibt und wer hier alles chattet.

Aber aus der Kindheitserinnerung weiß natürlich auch jeder noch um die Enttäuschung, die sich dann einstellte, wenn das heiß ersehnte Spielzeug, wenn man es dann hatte, allzu schnell seinen Reiz verlor. Genau: Das war sie jetzt, die Steilvorlage für alle Moralisten. Ich höre schon den Brechtschen Chor anheben: Der Mensch wird wie das Spielzeug zur Ware und zum reinen Objekt im anonymisierten Netz. Aber, verdammt: Erstens bin ich als User selbst Teil des Katalogs – samt Foto und Profil –, und zweitens findet das Leben eben natürlich nicht ausschließlich online statt. Will sagen: Wer sich der Bedeutung des Wortes »Projektion« nicht bewusst ist und sich in ein Foto oder ein paar charmante Statements aus dem Profil eines Users verliebt, kann sich später auf ein paar Enttäuschungen gefasst machen.

Also, liebe Moralisten, ihr müsst ja nicht, und wir, die wir drinnen sind, wissen immer noch zwischen Virtual Reality und Real Life zu unterscheiden. Und genau das ist der Punkt: Alle, die mit drin sind in der Partnerbörsen-Welt, haben Lust auf einen Chat, ein Date, darauf, neue Leute kennen zu lernen, oder auch auf mehr. Mit dem Klischee von dem chatsüchtigen, verzweifelten Großstadt-Single und dem Netz als dem Ort der einsamen Seelen hat das alles wenig zu tun. Und auch wenn es das hätte: Gegen eine zusätzliche Plattform, auf der man jemanden kennen lernen kann, lässt sich doch nichts einwenden.

Natürlich gibt es auch deppige Psycho-Hengste unter den männlichen Partnerbörsen-Teilnehmern, doch jede Plattform bietet Sperrungen für unerwünschte Kontakte an, und bei besonders harten Fällen führt ein kurzes Statement an den Webmaster zum Rausschmiss des Querulanten. Und wo gibt es ein derartiges Pochen auf korrektes Benehmen schon im »echten« Leben?

Was das jetzt alles mit Liebe zu tun hat? Auweia, Liebe ist es also nur, wenn man sich, wie in dem Streichfett-Werbespot, zufällig im Supermarkt mit dem Einkaufswagen in die Hacken fährt und es dann funkt? Vorherbestimmung, Romantik und so? Toll, wenn es so läuft, wenn aber nicht, warum dann nicht ein wenig nachhelfen?

Im Prinzip sind diese Partnerbörsen nichts anderes als eine virtuelle Raucherecke auf dem Schulhof oder die Teeküche im Büro: ein Platz, wo man mit Leuten in Kontakt kommen kann. Also wird wild, aber charmant miteinander gechattet. Wie auch außerhalb des Cyberspace ist natürlich nicht alles das reine Vergnügen: Langweilige Chats gibt es genauso wie öde Partygespräche an der Bar, und beides will man lieber rasch beenden. Aber zur gegenseitigen Freude kommt es im Netz oft genug auch zum geschmeidigen verbalen Ping-Pong. Verbalakrobatische Kunststücke verraten recht schnell, in welche Richtung das Spiel geht und ob es sich lohnen könnte, das Spielfeld nach »draußen« zu verlegen.

Was letztlich dann aus so einem Date wird, ist natürlich völlig offen. Oft genug stimmt die Chemie dann einfach doch nicht. Man trinkt einen Kaffee zusammen, hat einen netten Plausch und sieht sich doch nie wieder, na und? Immerhin hatte man ein Date, und das ist ja nicht das Schlechteste für das Selbstbewusstsein. Manchmal ist es aber auch der Beginn einer netten Freundschaft, und auf einmal hat man noch einen Namen einer Begleiterin für Ausstellungsbesuche im Adressbuch stehen. Hübsch auch, wenn aus einem anderen Date gar eine Affäre wird – große Liebe nicht ausgeschlossen.

Vielleicht ist das ganze Partnerbörsen-Zapping für einige wirklich bloß eine Anmach-Abschlepp-Veranstaltung. Doch auch dagegen ist ja nichts einzuwenden. Dazu gehören schließlich zwei. Und Derartiges soll ja auch schon auf Partys vorgekommen sein.