Da brummt der Bär

Die Hauptstadt-CDU liefert sich heftige interne Machtkämpfe, vergreift sich im Ton und an ihrem Vorsitzenden. von daniél kretschmar

Die Berliner CDU und ihr Landesvorsitzender Joachim Zeller sind in heller Aufregung. Seit einigen Wochen wird heftig diskutiert, ob der Landesverband der Partei mit seinem Chef wirklich glücklich werden kann. In der vorigen Wochen schlug auch noch das Verlagshaus Axel Springer Rupert Scholz als Gegenkandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden vor. Joachim Zeller beeilte sich, dessen Kandidatur zu dementieren, während Scholz bis Ostern, für Nachfragen unerreichbar, im Urlaub weilt.

Rupert Scholz, Verteidigungsminister der Regierung Kohl in den Jahren 1988/89, Mitglied des Aufsichtsrates der Berliner Volksbank und des Fußballvereins Hertha BSC sowie nicht zuletzt Professor für Staats- und Verwaltungsrecht in München, ist tatsächlich ein echter Gegenentwurf zum ostdeutschen Dolmetscher und Übersetzer Joachim Zeller. Der eine, aus dem alten Frontstadtklüngel um Eberhard Diepgen und Peter Radunski stammend, ist ein Reaktionär der alten Schule, der andere dagegen eher feinsinnig, fast liberal.

Während Scholz sich ganz ungeniert in der Deutschen Militärzeitschrift, einer »Soldatenzeitschrift« mit revisionistischen Beiträgen zu alten und neuen Kriegsverbrechern gemäß dem Motto »Opa war kein Mörder«, im Interview zu Wort meldet, verdankt Zeller seine Karriere unter anderem der PDS und den Grünen. Die hatten im Jahr 2000 ihn anstatt des SPD-Kandidaten in Berlin Mitte zum Bezirksbürgermeister gewählt. Dass er sich trotzdem drei Jahre später bei der Wahl zum Landesvorsitz gegen den früheren Finanzsenator und Diepgen-Intimus Peter Kurth durchsetzen konnte, bezeichnete einen pragmatischen Wechsel in der CDU Berlins.

Zu jener Zeit schien es ganz so, als hätten Parteistrategen auf Jahre hinaus eine schwarz-gelbe Mehrheit oder gar eine Alleinregierung der CDU unmöglich machen wollen. Die Hoffnung, wenigstens der stärkere Partner in einer Koalition mit der SPD zu werden, konnten die Konservativen schon nach dem Wahldebakel des Jahres 2001 ebenso vergessen wie die Option, überhaupt mit der SPD zu koalieren – zumindest solange sie an ihrer Spitze so unpopuläre Gestalten vom Schlage des Reinickendorfer Teppichhändlers Frank Steffel duldeten.

Zeller, ein Mann, der mit der grünen »Chaotenpartei« und sogar den »Altkommunisten« von der PDS ins Geschäft kam, war zwar vielleicht nicht ganz der richtige Mann für die Wilmersdorfer Witwen, mehr Chancen beim Kampf um die Rückkehr an die politische Macht hätte man ihm dennoch zugestanden.

Nur sollte es dazu nicht kommen. Die Berliner CDU versinkt in der Bedeutungslosigkeit, und ihr Vorsitzender sinkt mit. Dem mondänen Weltstadtgehabe des sozialdemokratischen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit kann der stille und unauffällige CDU-Vorsitzende nichts entgegensetzen. Sogar die PDS hat eine bessere Presse und allem Anschein nach eine treuere Wählerklientel als eine Partei, die sich ihre Personaldebatten von der Berliner Morgenpost aufdrängen lässt.

Das dachten sich auch die Kreisvorsitzenden der CDU, die Anfang der vergangenen Woche bei einem Treffen mit Zeller laut ihre Kritik vortrugen. Die einen, vom rechten Rand der Partei, weil sie das sowieso immer tun, die anderen, weil Zeller zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wenig Geschick bei seinen öffentlichen Äußerungen bewiesen hatte. Es ging um den Skandal um den Bezirksverordneten Torsten Hippe, der gerne der deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges gedenken möchte und kein Problem mit einer ideologischen Nähe zur NPD hat. »Ich kann nicht verhindern, dass ich in einzelnen Fragen den Positionen der NPD nahe stehe«, soll er, dem Tagesspiegel zufolge, am Rande einer Sitzung gesagt haben.

Zeller hatte zwar öffentlich den Ausschluss Hippes aus der Partei und der Fraktion angekündigt, konnte sich aber nicht gegen den zuständigen Kreisverband Steglitz-Zehlendorf durchsetzen und muss sich stattdessen mit einer Unterlassungsklage von Seiten Hippes und lauter werdenden Beschwerden über seine Führungsschwäche herumschlagen.

Derart in die Ecke gedrängt, machte Zeller dann noch den Fehler, die Zerstrittenheit der CDU erst so richtig ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken, indem er Stellung zu einem einzigen Zeitungsartikel in der Berliner Morgenpost nahm, der eine Gegenkandidatur ankündigt, die selbst Zellers innerparteilichen Gegnern absurd erscheinen musste. Die Frontstadtideologen und Kommunistenfresser in der Berliner CDU sind eine nicht zu unterschätzende Macht. Dass aber einer ihrer profilierteren Vertreter wie Rupert Scholz in der CDU oder gar in der Stadt einen Wahlerfolg erzielen könnte, daran dürften nicht einmal Diepgen oder Radunski ernsthaft glauben. Der anonym bleibende Informant der Morgenpost kann nur im Sinn gehabt haben, Zeller bloßzustellen, und das ist gründlich gelungen. Der Landesvorsitzende der CDU schadet sich fleißig selbst.

Am vergangenen Mittwoch schließlich trug Joachim Zeller auf einem Treffen des Kreisverbandes Mitte noch einmal kräftig zu seinem Niedergang bei. Er sagte, dass Berlin vom Linksblock befreit werden müsse. »Das ist dann der Tag der Befreiung von Berlin.« Ihm dürfte nicht entgangen sein, dass auch in der CDU, zumindest offiziell, der 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung gehandelt wird. Was vermutlich als »Befreiungsschlag« gegen den innerparteilichen Druck von rechts gedacht war, ging gehörig nach hinten los. Die vorhersehbaren Reaktionen der anderen Parteien lauteten: »Abenteuerliches Geschwätz!« (SPD); »Rücktritt!« (PDS); »Ganz unglaublich!« (Grüne). Zeller musste sich entschuldigen. Er habe sich im Ton vergriffen und hätte sich selbst ohrfeigen können, als er das gemerkt habe.

Zellers Gegner in der CDU reiben sich derweil die Hände, denn als aussichtsreicher Verhandlungspartner der SPD hat er sich nun disqualifiziert. Die Ohrfeigen erhält er nun nachträglich von den eigenen Parteifreunden. Dem einen stößt der »Versprecher« tatsächlich sauer auf, die anderen halten die Entschuldigung für unerträglich.

Am 28. Mai wählt der Landesparteitag der CDU ihren Vorsitzenden für die kommenden zwei Jahre. Ob Zeller dann erneut antreten wird, ist unsicher. Das hängt davon ab, wie die noch ausstehenden Delegierten- und Kreisverbandswahlen verlaufen. Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, wo Zellers Mann, der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Nicolas Zimmer, gegen den amtierenden Kreisvorsitzenden Dieter Hapel antritt, könnte die Vorentscheidung fallen.

Viel wichtiger als die kleinen Scharmützel an der Peripherie der Partei dürfte für Joachim Zellers politische Karriere aber eines sein: wieder in Deckung zu gehen und lieber nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.