Die Patrioten packen es

Mobilisierung der Nation von horst pankow

Bange Frage nach einer Woche patriotischen Pathos: »Kommen jetzt neue Jobs?« Gestellt wird sie von der Stimme der Erniedrigten und Beleidigten, der Bild-Zeitung. Wenige Tage zuvor hat das Blatt noch einen Helden kreiert, von dem nationale Errettung, zumindest nationale Arbeit erhofft werden sollte. Zum »Super-Horst« stilisierte man den Bundespräsidenten mittels einer Fotomontage, auf der zu sehen ist, wie Köhler sein Bankiershemd aufreißt und darunter eine Superman-Kluft präsentiert. Doch die Waffen des neuen »Stählernen« bestanden diesmal schlicht aus Worten.

Die Brand- oder »Ruck«-Rede, die vom Heros vor dem erlauchten Plenum der deutschen Wirtschaftselite im Berliner Haus der Wirtschaft erwartet wurde, sollte richtungsweisende Offenbarungen eines baldigen »Aufschwungs« enthalten. Heraus kamen bekannte Appelle: »Regierung und Opposition stehen in patriotischer Verantwortung.« Ein wenig Lob: »Die Gewerkschaften haben zuletzt Lohnzurückhaltung geübt und einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit geleistet. Das verdient Anerkennung.« Und Tadel: »Manche Firmen machen stattliche Gewinne, investieren aber nicht, weil sie zu wenig Vertrauen in den Standort Deutschland haben. Denen sage ich: Ihr sollt die Stärken dieses Standorts nicht gering schätzen.« Und es gab Ermahnungen jener, von denen der dem Redner applaudierende Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton F. Börner, verbittert feststellte: »Wir können uns den Egoismus Einzelner zu Lasten der Allgemeinheit nicht mehr leisten.«

An solche unpatriotischen Sozialschmarotzer, die immer noch glauben, die Bereitstellung von Arbeitskraft für die Kapitalvermehrung berechtige auch zur Inanspruchnahme von Leistungen für den Erhalt und die Reparatur der Arbeitskraft, richtete Köhler die Drohung: »Am besten wäre es, die Kosten der sozialen Sicherung völlig vom Arbeitsverhältnis abzukoppeln.«

Wer glaubte, dies löse bei den Angesprochenen Empörung aus, irrte sich. Was von deutschen Arbeitswilligen zu erwarten ist, war den ZDF-Nachrichten vom Abend nach der Rede Köhlers zu entnehmen. »Erst mal die Unternehmenssteuern senken und auch die Lohnnebenkosten«, gaben Arbeitslose in einer ostdeutschen Arbeitsagentur den Interviewern zu Protokoll, die sogleich von den willigen »Partnern der Politik« schwärmten.

Tags darauf fand das nächste patriotische Ereignis statt: »der Jobgipfel der Spitzen von Regierung und Opposition«. Manchen mochte das dort von einem anderen deutschen Superhelden, dem »Selbstentfesselungskünstler« (taz) Gerhard Schröder, Abgesonderte wie eine erfolgreiche Diskursverschiebung anmuten. Der mehr als 100jährige Kampf um die Besetzung des Terminus »vaterlandslose Gesellen« schien entschieden. Schröder lobte die von deutschen Arbeitern beim Lohnverzicht geübte »patriotische Einstellung« und wünschte sich diese auch von der »anderen Seite«. Markig deklamierte er: »Schluss mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen, und jetzt wird in Deutschland investiert!«

Fragt sich nur: Warum eigentlich investieren? So wie es aussieht, machen es die Leute auch ohne Geld, zumindest wollen sie nicht allzu viel herausbekommen. Billigjobs und den Dank des Vaterlands – mehr verlangen deutsche Arbeitskräfte derzeit nicht. Viele werden nicht mal das bekommen; der regierungsnahe Tagesspiegel spricht’s offen aus: »Man wird sich in Fachgruppen treffen, vieles wird dauern. Auch Schröder warnt vor der Illusion, dass jetzt schnell neue Arbeit entsteht.«