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Mausetot

Love Parade. Liebe Raver, ihr müsst jetzt ganz tapfer sein, denn wahrscheinlich wird eure Party des Jahres, die Love Parade, dieses Jahr schon wieder ins Wasser fallen. Schuld daran sind natürlich auf gar keinen Fall die Organisatoren des Umzugs. Alles haben sie schließlich dafür getan, damit ihr in diesem Jahr endlich wieder durch den Berliner Tiergarten ziehen und hinter Technotrucks herumraven könnt.

Man hat sich das Okay der Stadt Berlin für den Umzug eingeholt und mit Sponsoren verhandelt. Was hätte man denn sonst noch tun sollen? Gut, man hätte vielleicht früher mit den Sponsoren verhandeln und sich überhaupt besser auf alles vorbereiten können, doch letztlich scheint das Problem nun vor allem darin zu liegen, dass es seitens der Wirtschaft schlichtweg kein Interesse mehr an eurer Kultur zu geben scheint. Techno interessiert die nicht mehr.

Gut, einer der inzwischen abgesprungenen Sponsoren, Samsung, wäre bereit gewesen, einiges für die Parade springen zu lassen. Doch dafür hätte man das Spektakel umbenennen müssen in »Samsung-Love-Parade«. So zumindest hatte das Unternehmen es gefordert. Doch das wäre euch wahrscheinlich auch nicht recht gewesen und so wurde dem Anliegen des Elektronikkonzerns richtigerweise eine Absage erteilt. Wie hätte das denn auch ausgesehen, beispielsweise auf den T-Shirts: »Samsung-Love-Parade 2005«. Nee, das geht gar nicht. Und eine »Samsung-Love-Parade-Compilation« samt der »Samsung-Love-Parade-Hymne« hätte auch niemand kaufen wollen.

Nach dem Rückzug von Samsung wollte auch T-Com nicht mehr dabei sein und zog sich ebenfalls als potenzieller Sponsor zurück. Übrig geblieben ist somit also niemand, niemand ist bereit, in diesem Jahr bei Technofans für seine Produkte zu werben. Das ist echt bitter.

Nun gut, das Ganze könnte auch eine Chance sein. Man könnte wieder von vorne anfangen und wie damals bei der allerersten Love Parade einfach ein wenig verstrahlt und durchaus auf E hinter ein paar billig gemieteten Wagen herumhüpfen und auf die ganzen Sponsoren pfeifen. Aus Liebe zur Musik und wegen dem ganzen Lebensgefühl halt. Doch wahrscheinlich wollt ihr das gar nicht, denn eigentlich haltet ihr die Friede-Freude-Eierkuchen-Kultur längst selber für tot.

Und was meint eigentlich Dr. Motte, der Erfinder der Love Parade, zu dem ganzen Trauerspiel? Keine Ahnung, von ihm hört und sieht man nichts. Vielleicht ist das ja auch besser so. (aha)

Echt britisch

Morrissey. Der ehemalige Sänger der Smiths ist nicht totzukriegen. Im vorigen Jahr meldete er sich mit einer respektablen Soloplatte zurück, und nun wird er auch noch Gegenstand einer Konferenz. Ab dem 8. April werden sich Sozialwissenschaftler aus verschiedenen Ländern an der Manchester Metropolitan University mit Themen wie Fankultur, Klassenbewusstsein, Ästhetik und Selbstmord rund um das Phänomen Morrissey beschäftigen.

Klingt spannend, das Ganze. Schließlich gibt es zu Morrissey tatsächlich einiges zu sagen. Wie kaum ein anderer verkörpert er bis heute den typisch englischen Dandy mit exaltiertem Arschloch-Charisma. Er gab sich immer betont misogyn und behauptete, auf Sex gut und gerne verzichten zu können. Er gab sich immer klassenbewusst, und was ihm an den Bürgerlichen nicht passte, das konnte man in seinen meist gelungenen und ätzenden Texten nachhören.

Eine ähnliche Konferenz wie die zu Morrissey in Manchester wäre in Deutschland freilich gar nicht vorstellbar. Man könnte sich Herbert Grönemeyer oder Udo Lindenberg widmen, was freilich traurig wäre. England, du hast es einfach besser. (aha)

I did it my way

Harald Juhnke. So viel Sterben in der Öffentlichkeit war selten. Terri Schiavos Leben wurde beendet, der Fürst von Monaco ist am Ende, und die Öffentlichkeit verfolgte das schleichende Ableben des Papstes. Beinahe vergessen wurde bei all dem Todestaumel in der vorigen Woche der Tod von Harald Juhnke. N-TV berichtete rund um die Uhr über den Gesundheitszustand des katholischen Oberhirten, da schien kaum mehr Platz dafür zu sein, sich auch noch in Respekt von Harald Juhnke zu verabschieden.

Dabei war dieser einer der Prototypen des so genannten Volksschauspielers, also einer, der uns allen gehörte und zu dessen Beerdigung wir eigentlich alle hätten eingeladen werden müssen.

Vielleicht war Juhnke jedoch auch ein wenig vergessen, weil er seit einiger Zeit aus der Öffentlichkeit verschwunden war und selbst der Boulevard müde geworden war, lustige Geschichten vom an Demenz leidenden Harald aus dem Altersheim zu erzählen.

Gerade im Vergleich zu einem heroisch kämpfenden Papst wirkte das Ende von Harald Juhnke erschütternd unglamourös. Vor ein paar Jahren wurde er ins Altersheim abgeschoben, weil er selbst seinen eigenen Namen nicht mehr kannte, und nun ist er eben tot, und das war’s. Und davor war eigentlich auch nicht viel mehr. Die Amerikaner hatten Frank Sinatra und wir halt Harald Juhnke, der gerne Frank Sinatra gewesen wäre. Er sang »I did it my way«, posierte dazu in echten Sinatra-Posen und fand das nicht mal peinlich. Auch als Schauspieler wird nicht viel von Juhnke zurückbleiben, sein Hauptmann von Köpenick vielleicht und die Hauptrolle in der Fallada-Verfilmung »Der Trinker«, wohl weil Juhnke den Alkoholkranken so authentisch darzustellen vermochte.

Überhaupt fiel Juhnke am stärksten als Alkhoholiker auf. Was darin gipfelte, dass er im trunkenen Zustand einen schwarzen Kellner als »Nigger« bezeichnete und ihm attestierte, »bei Hitler wäre so etwas vergast worden«. Als er nüchtern war, hatte er sich für diese Eskapade entschuldigt, doch eigentlich entschuldigt Alkoholkonsum nicht jedes Verhalten. Nun ist er verstorben, der deutsche Sinatra. Wir haben ihn jetzt schon vergessen. (aha)