Weg mit dem Dreck!

Debatte um die EU-Feinstaubrichtlinie von andreas chollet

Wer ist denn nun eigentlich schuld, sollte der Bürger bald nicht mehr die Freiheit haben, sein Auto zu fahren, wann er will? Warum sind keine anderen Maßnahmen ergriffen worden, obwohl der Handlungsbedarf schon lange bekannt ist? Und warum hat sich die deutsche Automobilindustrie in die peinliche Situation hineinmanövriert, jetzt in Windeseile Dieselfahrzeuge mit Rußfiltern nachrüsten zu müssen? Zumindest diese drei Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Debatte um die EU-Feinstaubrichtlinie.

Sie wurde Mitte der neunziger Jahre als Reaktion auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gefährlichkeit des feinen Staubs formuliert. Bekannt war schon damals, dass Dieselfahrzeuge für etwa die Hälfte der Emissionen verantwortlich sind. Zu diesem Zeitpunkt stand noch keine Technik für Dieselfahrzeuge zur Verfügung, mit der die Grenzwerte hätten eingehalten werden können. Stattdessen wurde das Thema auf die lange Bank geschoben, und die Automobilindustrie bekam viel Zeit, um Lösungen zu entwickeln. Zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung durch den europäischen Ministerrat im Jahr 1998 hielt man eine Zeitspanne von knapp sieben Jahren bis zum Inkrafttreten der Grenzwerte anscheinend sowohl in der Politik als auch in der Industrie für ausreichend.

Tatsächlich wurde im Jahr 2000 der Peugeot 607 als erstes Fahrzeug serienmäßig mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet, weitere Fahrzeuge des Konzerns PSA Peugeot-Citroën folgten. Dagegen setzten die deutschen Hersteller auf eine Lösung, die bereits das Entstehen des Staubs im Motor verhindern sollte. Und sie sollte, da kein politischer Druck spürbar war, erst in ferner Zukunft bei einigen Modellen zum Einsatz kommen. »Wir haben die Entwicklung völlig falsch eingeschätzt«, klagte ein VW-Manager im Spiegel.

Im Jahr 2002 hat der deutsche Bundestag die EU-Richtlinie abgesegnet; am 1. Januar 2005 ist sie in Kraft getreten. Es war unter anderen die deutsche Regierung, noch unter Helmut Kohl, die diese Richtlinie vor sieben Jahren beschloss. Aber was interessiert es schon eine Regierung, was in sieben Jahren sein wird? Nun drohen den Kommunen Klagen, weil die Staubwerte in einigen Großstädten in diesem Jahr bereits an mehr als 35 Tagen überschritten wurden. Die Kommunen machen jedoch die Länder verantwortlich und die Länder den Bund.

Mittlerweile mussten die deutschen Hersteller eingestehen, dass die »innermotorische Lösung« noch nicht gefunden ist. Zwar wurde der Ausstoß von Rußpartikeln bei modernen Dieselfahrzeugen deutlich reduziert. Allerdings wurden nur die groben Partikel reduziert, die zuvor als eine Art Staubfänger für die feineren gewirkt hatten. Ihre Reduktion erhöhte somit sogar den Ausstoß an Feinstaubpartikeln.

Die Verwaltung wiederum vertraute der Automobilindustrie und ihren Versprechungen, die Emissionen deutlich zu reduzieren. Nun ist es für fiskalische Anreize, Filter einzubauen, eigentlich schon zu spät. Akut würde nur helfen, die deutschen Diesel auszubremsen. Doch welcher Politiker, sei es im Bund, im Land oder auf kommunaler Ebene wird es wagen, sich den geballten Volkszorn zuzuziehen? Im Zweifelsfall werden es die Gerichte sein, welche die entsprechenden Entscheidungen treffen müssen. Und die Politik wird durch »Sachzwänge« ersetzt.