Die Hand ist ausgestreckt

Wahlen in Nordzypern von ralf dreis

Der Machtwechsel im türkischen Teil Zyperns ist vollzogen. Mehmet Ali Talat, ein Befürworter der Wiedervereinigung Zyperns und Pro-Europäer, hat die Präsidentenwahl mit einem Stimmenanteil über 55 Prozent klar für sich entschieden. Sein größter Rivale, der Nationalist Dervis Eroglou, kam nur auf bescheidene 23 Prozent der Stimmen.

Damit endete endgültig die über 30jährige Ära des Nationalisten Rauf Denktasch. Er hatte Eroglou im Wahlkampf mit aller Kraft unterstützt. Der 81jährige Denktasch war nicht mehr zur Wahl angetreten, da im vergangenen Jahr mehr als zwei Drittel der Nordzyprer, gegen seinen entschiedenen Widerstand, für den Einigungsplan von UN-Generalsekretär Kofi Annan gestimmt hatten.

Die Vereinigung Zyperns scheiterte jedoch, da knapp 76 Prozent der Bevölkerung im griechischen Süden dagegen stimmten. Daher ist nur dieser Teil der Insel seit Mai 2004 Mitglied der EU. Denktasch hatte seit der türkischen Invasion 1974 für einen eigenen Staat gestritten und 1983 die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern ausgerufen.

»Ihr habt eine friedliche Revolution vollbracht. Der Präsidentenpalast gehört all denen, die Frieden wollen«, rief Talat nach der Wahl seinen jubelnden Anhängern in Nikosia zu. An die griechische Adresse gewandt, fügte er hinzu: »Ich reiche ihnen meine Hand zum Frieden, und diese Hand wird so lange ausgestreckt bleiben, bis sie jemand ergreift. Ich bin überzeugt, dass es eines Tages geschehen wird.«

Darauf hofft auch die türkische Regierung von Recep Tayyip Erdogan, der Talat nach Kräften unterstützt, gilt doch der Zypernkonflikt als eines der Haupthindernisse für den EU-Beitritt der Türkei. Ideal wäre für Erdogan eine Lösung noch vor Beginn der Beitrittsverhandlungen im Oktober, da es ihm so erspart bliebe, die griechische Republik Zypern offiziell anzuerkennen. Das Thema hat in der Türkei eine ähnlich große innenpolitische Bedeutung wie der geleugnete Massenmord an der armenischen Bevölkerung vor 90 Jahren. Auch könnte es der Türkei dann gelingen, Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe abzuwenden, die griechische Zyprer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einbrachten, weil sie 1974 von türkischen Invasionstruppen vertrieben wurden.

Doch so schnell wird es wohl nicht gehen. Zu groß ist das Misstrauen, zu groß auch die Angst des reichen Südens vor der Armut im türkischen Norden. Zwar hat die griechisch-zyprische Regierung den Machtwechsel begrüßt. Sie hoffe, dass sich »die Türkei und die neue türkisch-zyprische Führung um Mehmet Ali Talat für geeignete Bedingungen« einsetzen, damit ein neuer Dialog, unter der Leitung von UN-Generalsekretär Kofi Annan, beginnen könne.

Tatsächlich jedoch dürfte den griechischen Zyprern die Wahl von Talat einige Probleme bereiten. Bisher konnte sich Staatspräsident Tassos Papadopoulos, ein ebenso glühender Nationalist wie Denktasch, gut hinter dessen Verweigerung verstecken und trotzdem den Plan Annans ablehnen. Auch jetzt befürwortet er neue Verhandlungen »auf der Basis des Annan-Plans«, fordert aber gleichzeitig »substanzielle Änderungen«.

Er lehnt die weitere Anwesenheit der türkischen Armee auf Zypern ab, kritisiert das Prinzip der geplanten gemeinsamen Regierung, dass bei Beschlüssen ein türkisches Regierungsmitglied zustimmen muss, und erkennt türkische Siedler nicht als Zyprer an. Als Zeichen des guten Willens will er Talat demnächst wenigstens zum Kaffee einladen und dabei wohl auch seine ausgestreckte Hand schütteln.