Hamburger Lektionen

In Hamburg blockierten Antifas die Lehrveranstaltung eines Politikwissenschaftlers, der einen merkwürdigen Umgang mit dem Staat Israel pflegt. von olaf kistenmacher

Ein Seminar an der Universität Hamburg über die Hintergründe der zweiten Intifada, in dessen Titel »Krieg und Frieden in Palästina« Israel nicht vorkommt? Dass der Politikwissenschaftler Rolf Hanisch den Staat Israel nicht einfach nur vergessen hat, legt das Programm seiner begleitenden Vorlesung zum »›neuen‹ Antisemitismus« nahe. Darin kündigt er an, »das Lebensrecht Israels? Welches Israels?« zur Diskussion zu stellen. Doch am Donnerstag vergangener Woche konnte nichts diskutiert werden, weil Antifas die Vorlesung verhinderten.

Hanisch forschte bislang kaum zum Nahen Osten, sein Spezialgebiet ist Südostasien. Aber etwas an den Antisemitismusdebatten der vergangenen Jahre hat den deutschen Professor wohl aufgebracht. Nach dem Ankündigungstext seiner Lehrveranstaltungen will er nun beweisen, dass es keinen »relevanten« Antisemitismus in Deutschland und Europa mehr gebe. Deshalb stelle sich »die Frage, warum diese hektische Anti-Antisemitismusdebatte entfacht wurde«. In diesem Zusammenhang gebrauchte Formulierungen wie »die Palästina-Politik der USA und die amerikanischen Juden« lassen nicht nur erahnen, unter wessen Einfluss die US-amerikanische Politik nach Hanischs Ansicht steht. Sie legen auch nahe, wer die Urheber der Debatte sein sollen und wem sie nütze. Dass Hanisch auch hier nicht von einer »Israelpolitik«, einer »Israel-Palästina-Politik« oder einer »Nahost-Politik« schreibt, scheint zum Programm zu gehören.

Hanisch hält sich nicht für einen Antisemiten und distanziert sich von Martin Hohmann und Jürgen W. Möllemann, allerdings nur, weil deren Äußerungen unsachlich gewesen seien. Wie Möllemann glaubt Hanisch, eine »Minderheitenposition« zu vertreten, wie er im Vorlesungsverzeichnis bereits behauptet hat. Und nun, da zum ersten Mal öffentlich gegen seine Lehrveranstaltungen protestiert wird, gibt sich Hanisch in der Jüdischen Allgemeinen als unschuldiges Opfer einer »Rufmordkampagne«.

Bereits vor zwei Jahren provozierten seine Äußerungen in einem Seminar mit dem Thema »Antisemitismus, Diaspora und der Palästina-Konflikt« Kritik. Damals sei noch versucht worden, andere Professoren und Professorinnen für einen institutsinternen Protest zu gewinnen, sagt eine Studentin der Jungle World, aber leider erfolglos.

In diesem Jahr forderte die Hamburger Studienbibliothek (HSB), eine unabhängige Bibliothek für linke Theoriebildung, vor Semesterbeginn den Universitätspräsidenten Jürgen Lüthje auf, Hanischs Veranstaltungen ersatzlos zu streichen. Nachdem auch das bislang ohne Erfolg blieb, kam es zu der Störung in der vorigen Woche.

In ihrem Brief verweist die HSB auf Hanischs Trick, scheinbar nur Fragen zu stellen, wie man es spätestens seit Hohmann kennt. So sei nach der Ankündigung im Vorlesungsplan zu klären, ob es möglicherweise eine »jüdische Weltverschwörung« gebe oder ob die »Juden selbst Schuld am Antisemitismus« sein könnten. Im Seminar wurden aus den Fragen Antworten, wie von Studierenden zu erfahren ist. Als eine Studentin sich für ein Referat zum Thema »die Palästina-Politik der USA und die amerikanischen Juden« meldete, habe Hanisch sie aufgefordert, besonders die Rolle der »jüdischen Lobby« herauszustellen. Darauf habe sie das Seminar verlassen.

Ein Brief, eine verhinderte Vorlesung – von einer größeren Aufregung kann man noch nicht sprechen. Skandalös sind nicht nur die tendenziell antisemitischen Aussagen eines deutschen Professors, sondern auch die Untätigkeit der universitären Gremien. Die Antifas kündigten in dem Flugblatt, das sie während der Störung der Vorlesung verteilten, jedoch an, »Hanisch und jenen, die ihm gerne zuhören, nicht einmal an der Uni Raum zu gewähren«. Hanisch dagegen will in der nächsten Woche sein Seminar unbedingt fortführen.