Legt sie in Ketten!

Fußfesseln für Langzeitarbeitslose von thomas blum

Demokratie lebt vom Wettbewerb. Nur wenn verschiedene Modelle zu ihrer Abschaffung gleichberechtigt miteinander konkurrieren, kann sie sich, sagen wir: auf angemessene Weise erneuern.

Weil aber die Demokratie ein schwerfälliges Unternehmen ist, haben sich in der Vergangenheit anregende Vorschläge, die hierzu geeignet gewesen wären, nur selten durchgesetzt. An Ideen mangelte es nicht: Peter Gauweiler (CSU) forderte einst Aids-Zwangstests für wahllos umherkarnickelnde Ausländer. Auch die Junge Union, ein Verein kühner, vorwärts strebender Burschen, hat sich gelegentlich mit Vorschlägen zu einer zeitgemäßen Auffrischung unseres Rechtssystems hervorgetan. Um Schulschwänzer ihrer gerechten Strafe zuzuführen, forderte sie vor einigen Jahren Polizeieinsätze.

Nun ja, in einem innovationsfeindlichen Land wie dem unseren hat es der kraftvolle, beherzte Zugriff seit je schwer. Lange genug dauerte es, bis endlich zur Ergreifung von Kindern, die Hauswände bemalen, Hubschrauber eingesetzt wurden.

In Hessen, einer kleinen, unbeachteten Enklave im Herzen Deutschlands, von der wir wissen, dass man dort bemüht ist, das Rechtswesen in regelmäßigen Abständen zu neuem Leben zu erwecken, existiert sogar ein in derlei Angelegenheiten äußerst progressiver Justizminister. Christean Wagner ist ein Mensch, der mit innovativen Konzepten wacker voranschreitet. Bei »Kavaliersdelikten« wie dem Rauchen im Nichtraucherbereich sei er »für eine strikte und konsequente Reaktion des Staates«. Vor einigen Jahren hat er die Privatisierung von Gefängnissen, die Einrichtung von »Schnellgerichten« und polizeilichen »Eingreif-Reserven« verlangt und die »elektronische Fußfessel« für Straftäter eingeführt. Vor kurzem forderte er, potenziellen Straftätern eine Genprobe zu entnehmen. Jetzt ist ihm noch etwas eingefallen.

Bereits im März schlug sein Ministerium Folgendes vor: »Fußfesselträger werden zu einer (…) hohen Selbstdisziplin (…) angehalten. Die elektronische Fußfessel bietet daher auch Langzeitarbeitslosen (…) die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren.« Viele hätten »verlernt, nach der Uhr zu leben«, weshalb mit einer derartigen »Überwachung« solchen arbeitsscheuen Elementen eine »wichtige Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden« könne.

Demokratie darf nicht immer nur zaghaft und zögerlich sein. Sie muss auch mal mutig sein, etwas Neues ausprobieren, up to date sein. Man ist hierzulande auf dem richtigen Weg: Polizei- und Hubschraubereinsätze, elektronische Fußfesseln, präventive Verhaftungen, Standgerichte, Internierungslager. So bleibt Demokratie lebendig, aufregend und auf der Höhe der Zeit.

Angeregt sei daher an dieser Stelle weitere Hilfe zur Selbsthilfe, etwa die großzügige Verabreichung heilsamer Elektroschocks für hyperaktive Kleinkinder oder ein sauberer Genickschuss für unbelehrbare Delinquenten, die bei Rot die Straße überqueren. Auch das vergleichsweise unkompliziert zu handhabende, gar nicht teure Schafott und die vor allem in ihrer dekorativen Qualität nicht zu unterschätzende Massenexekution, dies nur nebenbei, sind rundum sinnreiche, leider heutzutage ganz in Vergessenheit geratene Erfindungen der Moderne, mit welchen man zu gegebener Zeit Widerworte gebende Falschparker oder müßige Spaziergänger rasch, ein für allemal und auf unkomplizierte Weise zur Räson bringen kann. Man muss nur wollen.