Prügelnde Freunde und Helfer

Im Oktober soll der Prozess gegen Polizisten und Mediziner beginnen, die während des G 8-Gipfels in Genua 2001 in einer Polizeikaserne Demonstranten misshandelt haben sollen. von jens herrmann

Überraschend schnell erging das Urteil im Vorprozess um die Vorfälle in der Polizeikaserne Bolzaneto während des G 8-Gipfels vor vier Jahren. Nach elf Verhandlungstagen gab Richter Maurizio De Matteis am Montag vergangener Woche bekannt, dass sich fast alle 47 Angeklagten, Polizisten, Ärzte und Krankenpfleger vor Gericht verantworten müssen.

Viele der 255 Demonstranten, die während der Proteste in Bolzaneto inhaftiert waren, hatten Anzeige gegen Polizeibeamte und medizinische Helfer erstattet. Sie berichteten von Misshandlungen, Schlägen, Tritten, sexuellen Übergriffen und Tränengasgranaten, die in Zellen abgefeuert worden sein sollen. Stundenlang hätten Demonstranten mit erhobenen Händen an der Wand stehen müssen. Zudem seien sie gezwungen worden, faschistische Lieder zu singen. Manche Polizisten sollen sie mit dem Hitlergruß empfangen haben.

Ab 12. Oktober sollen 45 Staatsdiener nun wegen Amtsmissbrauchs, Misshandlung, Nötigung und Körperverletzung vor Gericht gestellt werden. Neben 40 Polizisten werden fünf Personen, die für die medizinische Betreuung zuständig waren, angeklagt. Unter ihnen ist auch der Arzt Vincenzo Toccafondi, der Verletzte behandelte und dabei mit einem Tarnanzug bekleidet gewesen sein soll. Er soll Gefangene misshandelt und erniedrigt haben.

Die Anklage wird jedoch dadurch erschwert, dass es Folter als Straftatbestand im italienischen Recht nicht gibt. So werden die Taten wie gewöhnliche Körperverletzung und Nötigung behandelt. Zudem bleibt für das komplexe Verfahren nur wenig Zeit, da die Verjährungsfristen überwiegend auf siebeneinhalb Jahre festgelegt wurden. Es ist fraglich, ob es in den kommenden dreieinhalb Jahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen wird. Vor allem die Polizei trug zur Verschleppung der Verfahren bei, indem sie die Ermittlungen der Staatsanwälte erheblich behinderte.

Verzögerungen bestimmen auch den zweiten großen G 8-Prozess gegen Polizeibeamte. Seit dem 6. April wird wegen des brutalen Polizeiüberfalls auf die Diaz-Schule verhandelt. Die Verhandlung wurde am Donnerstag vergangener Woche auf den 29. Juni vertagt, da zwei der drei Vorsitzenden Richter das Gericht verlassen. Von den 28 angeklagten Polizisten, zu denen auch ein Dutzend hochrangiger Polizeibeamter zählt, erschien am vorläufig letzten Verhandlungstag kein einziger.

Sehr viel schneller voran geht es dagegen im Sammelprozess gegen 25 italienische Demonstrantinnen und Demonstranten, denen Plünderung und Verwüstung vorgeworfen werden. Ihnen drohen in dem seit einem Jahr laufenden Prozess acht bis 15 Jahre Haft. Das Genoa Legal Forum, das die Proteste gegen den G 8-Gipfel organisierte und nun die Demonstranten in allen Prozessen vertritt, befürchtet, der Prozess könnte der Auftakt einer ganzen Reihe von Prozessen sein. Nach Informationen des Forums wird noch gegen mehr als 100 weitere Demonstranten ermittelt. Mit einer Verjährung der ihnen zur Last gelegten Taten können sie nicht rechnen, denn die Frist beträgt in diesem Fall 50 Jahre.

Italienische Aktivisten hoffen aber, dass zumindest die vor zwei Jahren eingestellten Ermittlungen zum Tod des 23jährigen Carlo Giuliani nochmals aufgerollt werden. In Prozessen gegen Polizeibeamte kamen Ungereimtheiten zu Tage. Polizisten widersprachen sich darin, was vor und nach dem Tod von Giuliani geschehen war. Der Carabiniere Mario Placanica, der den tödlichen Schuss auf Giuliani abgefeuert haben soll, war im Vorverfahren frei gesprochen worden. Die Mutter von Giuliani wird am 3. Juni auf einer Diskussionsveranstaltung an der Berliner Humboldt-Universität über die neusten Entwicklungen informieren.