Volles Rohr

Die Pipeline Baku-Ceyhan ist fertig von brian beckers

Es ist vollbracht. Das Rohr, von dem so manche glaubten, dass die USA seinetwegen zu allerlei Gemeinheiten bereit seien, ist gebaut. Die teuerste und längste Pipeline der Welt führt von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan, ist einen Meter breit und 1 700 Kilometer lang und ließ sich von Bergen, Tälern und anderen Unwegsamkeiten ebenso wenig aufhalten wie von finanziellen, ökologischen und politischen Einwänden. Ob das Rohr aber den erhofften Profit bringen wird, ist zweifelhaft.

Am Mittwoch der vergangenen Woche wurde die Pipeline mit großem Tamtam in Baku eingeweiht. Anwesend waren unter anderem der aserbaidschanische Präsident und Clanführer Ilham Alijew, sein georgischer Amtskollege Micheil Saakaschwili und der US-amerikanische Energieminister, Samuel Bodman. Alijew zeigte sich überzeugt: »Die Pipeline wird die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Region lösen helfen und den Frieden und die Sicherheit in der Region stärken.« So sehr davon überzeugt dürften einige Hundert Demonstrierende nicht gewesen sein, als sie kurz vor der Eröffnung von der Polizei niedergeknüppelt und eingesperrt wurden. Sie verlangten mehr Demokratie und Freiheit. Vielleicht hatten sie sich von den Worten George W. Bushs ermutigen lassen, der zwei Wochen zuvor in Tiflis gesagt hatte, dass Georgien im Kampf um Freiheit und Demokratie »einen Leuchtturm für die ganze Region« bilde und Amerika auf der Seite derer stehe, die für diese Ziele kämpften.

Doch daran, dass der Leuchtturm bis Aserbaidschan strahlt, dürfte Bush kaum interessiert sein. Selbst das amerikanische Außenministerium bezeichnet Aserbaidschan in seinem jährlichen Menschenrechtsbericht als eines der »übelsten Gewaltregime« der Welt. Die Organisation Transparency International zählt es zu den korruptesten Ländern überhaupt. Aber Aserbaidschan steht auf Seiten der Amerikaner und der Europäer.

Die Pipeline soll die westlichen Staaten unabhängiger von der Opec machen. Dieses Ziel ist den westlichen Staaten, allen voran den USA, so wichtig, dass sie sich nicht von einer Kleinigkeit irritieren lassen: Die vier Milliarden Dollar teure Pipeline wird sich womöglich niemals rentieren. Die optimistischen Prognosen der neunziger Jahre, nach denen die aserbaidschanischen Reserven auf 225 Milliarden Barrel geschätzt wurden, mussten nach etlichen erfolglosen Bohrungen korrigiert werden. Im Kaspischen Meer vor Aserbaidschan liegt wohl nicht viel mehr Öl als in der Nordsee, aus der bald nichts weiter als schmutziges Wasser zu holen sein wird.

Einer der größten Investoren ist der im Umgang mit korrupten Regimes erfahrene Konzern BP. Er hat seit den neunziger Jahren 15 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Förderanlagen investiert und weitere Millionen in die Taschen des Alijew-Clans. Ein von BP geführtes Konsortium finanzierte 30 Prozent der Pipeline, den Rest der Kosten übernahmen indirekt die USA und die EU. Der Konzern hält die Pipeline für die sauberste und sicherste, die je gebaut wurde. Doch sie führt durch eine Region, die sehr stark von Erdbeben gefährdet ist, was sie zu einer potenziellen Gefahr für die Umwelt macht.

An den wirtschaftlichen Aufschwung, den Alijew von der Pipeline erwartet, glaubt niemand so recht. Ganze 300 Menschen wird das Projekt in Georgien dauerhaft beschäftigen, und in Aserbaidschan ist auch nur ein Prozent der Bevölkerung im Ölsektor beschäftigt. Bislang streicht der Alijew-Clan einen großen Teil der Erdöleinnahmen ein, und es spricht wenig dafür, dass sich daran etwas ändern wird. Und mehr Demokratie wird es mit dem Rohr auch nicht geben.