Maschinenraum an Brücke

James Doohan, besser bekannt als »Scotty«, ist tot. von markus ströhlein

Buckelwale zu transportieren, ist kein leichtes Unterfangen. Ein ausgewachsenes Tier wiegt bis 30 Tonnen. Damit es sich wohl fühlt, braucht es natürlich Wasser um sich herum. Will man zwei Tiere mit dem nötigen Salzwasser befördern, steht man vor einem etwa 300 Tonnen schweren Problem. Dass die Wale nicht nur von Punkt A nach Punkt B, sondern aus dem Jahr 1986 ins 23. Jahrhundert geschafft werden müssen, macht die Sache nicht leichter.

Der Mannschaft um Admiral James T. Kirk gelingt es in »Zurück in die Gegenwart«, dem vierten Star-Trek-Kinofilm, dennoch. Die Erde des 23.Jahrhunderts wird darin von einer außerirdischen Raumsonde bedroht, deren Signale die Ozeane verdampfen lassen. Die Signale werden vom scharfsinnigen Mr. Spock als Buckelwalgesänge identifiziert. Doch wer soll antworten? Da die Tiere längst ausgestorben sind, müssen Kirk und seine Crew zurück ins 20. Jahrhundert. Dort werden die Buckelwale in flugs gebastelte Wassertanks an Bord gebeamt. Per Zeitsprung geht es zurück in die Zukunft. Die Wale singen ihr Lied und die Sonde fliegt dorthin zurück, wo sie hergekommen ist. So einfach rettet man die Welt.

»Zurück in die Gegenwart« war James Doohans Lieblingsfilm. In den 79 Folgen der ersten »Star-Trek«-Serie war er dabei. In sieben Kinofilmen war er mit an Bord des Raumschiffs Enterprise. Während Captain Kirk mit außerirdischen Schurken raufte oder mit intergalaktischen Schönheiten flirtete, Mr. Spock seinen unbestechlichen vulkanischen Intellekt aufblitzen ließ und der Schiffsarzt »Pille« McCoy den affektierten Neurotiker gab, kroch Doohan in seiner Rolle als Chefingenieur Montgomery Scott durch die Jeffreys-Röhren des Raumschiffs. »Scotty«, wie die Figur von der Crew der Enterprise und den Fans der Serie liebevoll genannt wird, war der bodenständige Handwerker im All.

In »Zurück in die Gegenwart« ist das nicht anders. Captain Kirk bandelt mit einer Meeresbiologin an. Spock planscht im Walbecken. Lieutnant Commander Uhura und Lieutnant Chekov schmuggeln sich an Bord eines Flugzeugträgers, um Atomenergie abzuzapfen. Lieutnant Commander Sulu kapert einen Hubschrauber. Was macht Scotty? Er bastelt im Bauch des Raumschiffs ein Aquarium aus dickem Plexiglas und macht den Antrieb wieder flott.

Natürlich muss Scotty auch das tun, wofür er berühmt geworden ist. Er muss beamen. Sein Name steht vor allem für die großartige Technologie, die Menschen, Gegenstände und Buckelwale in Sekundenbruchteilen, von einem trashigen Synthie-Flirren untermalt, in glitzernde Partikel verwandelt und über beachtliche Distanzen befördert. »Beam me up, Scotty!«, der Satz, der aus dem Universum der »Enterprise« in das Vokabular der Popkultur eingegangen ist, wird in »Zurück in die Gegenwart« zum ersten Mal verwendet. In der Originalserie brachten Aufforderungen wie »Mr. Scott, Energie!« oder »Bereit zum Beamen, Scotty!« den Chefingenieur dazu, die Plastikschieber im Transporterraum zu bewegen.

Dass ausgerechnet der vierte Teil der Kinoreihe Doohans Lieblingsfilm war, ist zunächst verwunderlich. Allzu plakativ ist die ökologische Moral, dass die Menschheit, wenn sie der Natur schadet, sich selbst an den Karren fährt. Noch dazu gibt es keine Gefechte mit den bösen Klingonen, keine Verfolgungsjagden mit Warp-Geschwindigkeit oder aufregende Entdeckungen am Rand des Universums. Stattdessen stapfen die in die Jahre gekommenen Darsteller im Jahr 1986 durch San Francisco und sehen dabei aus wie ein Seniorenclub auf einer Kaffeefahrt.

Dieser altbackene Charme war jedoch charakteristisch für das »Star-Trek«-Konzept. Die Serie war durchdrungen vom amerikanischen Pioniergeist, der in unbekannte Territorien vordringen möchte, und vom unerschütterlichen Glauben an die Moderne. Auf der Erde herrschte Eintracht, alle Konflikte früherer Tage waren beigelegt. An Bord der Enterprise zischte die Kantsche Weltgesellschaft durch das All, um entlegene Galaxien zu erforschen und fremden Lebewesen auf friedliche Art zu begegnen.

Dem Chefingenieur Montgomery Scott kam dabei eine besondere Aufgabe zu. Je größere Schritte die Raumfahrt machte, desto aufwändiger wurde es für das Science-Fiction-Genre, da mitzuhalten. Bei »Star Trek« geschah das weniger durch bizarre Technologien und Gerätschaften wie dem »Beamen«, den »Dilitium-Kristallen«, der »Tarnvorrichtung« oder den »Replikatoren«; plausibel wirkte vielmehr, dass der technische Schnickschnack, wie im richtigen Leben, mit großer Regelmäßigkeit defekt war. Da musste dann Scotty ran, um jedes Mal erneut zu demonstrieren, dass Raumfahrt nichts mit Metaphysik, sondern mit Physik zu tun hatte. So hat der Charakter, der dafür zuständig war, Menschen und Maschinen vom Boden abheben zu lassen, die Serie geerdet.

Bodenständig machte Scotty auch sein schottischer Akzent, der in der deutschen Synchronisation leider verloren ging. Sein Talent, Dialekte zu imitieren, entdeckte James Doohan in der Armee, als er anfing, zum Spaß die Sätze anderer Soldaten nachzuplappern. Mit 19 Jahren meldete sich der Kanadier 1939 zum Kriegsdienst, um seinem alkoholsüchtigen Vater zu entkommen. Seinen ersten Kriegseinsatz erlebte er ausgerechnet am D-Day, am 6. Juni 1944. Hätte er damals nicht sein silbernes Zigarettenetui in der Brusttasche getragen, hätte es die Figur des Scotty nicht gegeben. Das Etui hielt eine Kugel aus einem deutschen Maschinengewehr auf. Vier weitere trafen Doohan ins Bein, etliche andere zerfetzten seinen rechten Mittelfinger. Der Schauspieler war später stets darauf bedacht, seine rechte Hand vor der Kamera zu verbergen.

Als er 1966 bei Gene Roddenberry vorsprach, dem Erfinder des »Star-Trek«-Universums, war die Rolle noch nicht ausgearbeitet. Doohan präsentierte seine Zeilen in verschiedenen Dialekten und plädierte dafür, den Chefingenieur als gestandenen Schotten zu spielen. Er bekam den Part. Doohan wurde Scotty.

Als die Serie nach nur drei Staffeln 1969 wieder eingestellt wurde, klebte der Charakter an ihm, Angebote für andere Rollen blieben aus. Seine finanzielle Situation verbesserte sich erst, als die Merchandise-Maschinerie anlief und »Raumschiff Enterprise« in die Kinos kam. Frustriert war Doohan auch, weil er vor »Star Trek« als vielversprechender Charakterdarsteller gehandelt worden war. Er litt darunter, der ewige Scotty zu sein. Seiner Autobiografie »Beam me up, Scotty!« zufolge riet ihm sein Zahnarzt Folgendes: »Du wirst immer noch Scotty sein, wenn du schon lange tot bist. Wenn ich du wäre, würde ich mich dem nicht länger versperren.« Der Schauspieler nahm den Ratschlag an. »Seither ist es einfach wunderbar«, bekannte er in seinem Buch.

James Doohan starb vergangene Woche im Alter von 85 Jahren. Die »Enterprise« wird nicht mehr starten können. Sie hat ihren Chefingenieur verloren. Und ohne den geht nichts.