Abbruchstimmung

Das Linksbündnis dient dem rot-braunen Diskurs und dem sozialdemokratischen Klassenkompromiss. von ivo bozic
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Die PDS heißt jetzt Linkspartei, hat ihre Listen, wie übrigens bei jeder Bundestagswahl, für Parteilose geöffnet und stellt einige Wasg-Leute auf. Mehr ist nicht passiert. Der Rest ist Stimmung. Die Meinungsumfragen sind es, die selbst einige Linksradikale in Verzückung geraten lassen. 33 Prozent im Osten, zwölf Prozent bundesweit. Das gab es noch nie. Wirklich? Falsch. Das gab es immer schon für die Sozialdemokratie. Und mehr ist die »neue« Linkspartei nicht. Oder besser gesagt, mehr verbinden die potenziellen Wählerinnen und Wähler nicht mit ihr. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung um den Sozialstaat ist eine genuin sozialdemokratische.

Es ist ja gut, wenn sich die Sozialdemokratie neu formiert und die SPD zerlegt wird. Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn die Regierung gezwungen ist, sich mit der Stimmung gegen den Sozialabbau auseinanderzusetzen. Vielleicht, und im Ansatz ist es ja auch zu sehen, gibt sie dem Druck sogar hier und dort ein klein wenig nach.

Doch weshalb ist die Stimmung für die Linkspartei so gut? Der wachsende Zuspruch hat nichts mit wachsender Radikalität der Linkspartei zu tun, sondern mit dem Gegenteil. Für »soziale Gerechtigkeit« bekommt man leicht zwölf Prozent. Man erhielte auch locker 40 Prozent, wenn man sich für die Pandababys im Zoo einsetzte. Notfalls die Todesstrafe fordern, damit ließe es sich womöglich ganz nach oben schaffen. Der Glaube, dass die Größe des Zuspruchs etwas mit einer gesellschaftlichen Zuspitzung zu tun hat, ist ein tausendfach widerlegter Aberglaube. Oder nein, sie haben etwas miteinander zu tun: Je geringer die Zuspitzung, desto größer die Zustimmung. Das Prinzip Loveparade. Und das soll eine gute, eine neue Ausgangslage sein?

Es liegt doch auf der Hand: Eine PDS/Linkspartei mit Lafontaine ist nicht linker als eine ohne ihn. Im Gegenteil. Nun verweisen einige auf das Parteiprogramm. Und in der Tat, es gibt schlimmere. Da steht so manche vernünftige Forderung geschrieben. Und dann zeigen sie auf bestimmte Personen, die in der Partei aktiv sind und sich für Antifas und Ausländer engagieren und die das Herz am linken Fleck tragen. Die gibt es auch ja.

Doch was bestimmt den Diskurs? Was macht die Linkspartei so stark? Das Parteiprogramm ganz sicher nicht. Das kennt kaum jemand. Und die aufrechten Linken in der Partei auch nicht. Gysi ist es, Lafontaine ist es, und deren Rede gegen »die da oben«. Mit Kapitalismuskritik hat das nichts zu tun. Es ist Kapitalismus pur: Kaufkraft und Nachfrage stärken, so die Wirtschaft fördern und Arbeitsplätze schaffen.

Dazu werden vor allem Ressentiments gegen die »Bonzen« bedient. Endlich vertritt jemand die Interessen des »kleinen Mannes«, wird der »Saustall ausgemistet«. Mit solcher Stammtisch-Rhetorik holte die DVU 1998 in Sachsen-Anhalt fast 13 Prozent.

Es gibt seit einiger Zeit ein diskursives rot-braunes Querfrontprojekt in dieser Gesellschaft, das sich aus Sozialneid, Antiamerikanismus und dem Wunsch nach nationaler Abschottung in einer globalisierten Welt speist und das tatsächlich mehrheitsfähig zu werden droht, weil es links wie rechts und auch aus der Mitte heraus propagiert wird. Die linken und rechten Demonstrationen gegen Hartz IV und den Irak-Krieg haben einen ersten Eindruck davon gegeben. Lafontaine, der einer der Initiatoren der Asylrechtsänderung war, ist ein solcher Querfrontstratege. Mit dem Namen »Linkspartei« und mit der Anbiederung außerparlamentarischer Linker an das Bündnis wird diesem Diskurs fatalerweise auch noch das vermeintliche Gütesiegel »links« verpasst.

Dabei bietet die massenhafte Unzufriedenheit mit dem Sozialabbau tatsächlich eine Chance für Linke: für eine dezidierte Kapitalismuskritik! Denn den neoliberalen Angriff hinzunehmen, kann nicht die Alternative sein. Doch kaum etwas ist naiver, als in dieser Situation ausgerechnet mit Sozialdemokraten anzubandeln, die den neuen sozialen Klassenkompromiss formulieren. Einer, der dazu noch eine »deutsche Arbeiterklasse« im Sinn hat, bei der Flüchtlinge, Osteuropäer und in die EU drängende Türken nur stören. Jürgen Elsässer, glühender Lafontaine-Sympathisant, hat es bei einer Veranstaltung in Berlin auf den Punkt gebracht: Die Hauptprobleme seien die »Inländerfeindlichkeit«, der Beitritt der Türkei; die EU-Ost-Erweiterung sei der »Sargnagel für das Sozialsystem hier«. Statt um Minderheiten solle sich die Linke endlich um die hiesige Mehrheitsgesellschaft, um die »Normalos« kümmern. Guten Morgen, Volksgemeinschaft! Das ist Nationalbolschewismus im Jahre 2005.