Warten auf den Regen

Spanien und Portugal leiden unter einer Dürre. Doch dass Wasser knapp ist, liegt auch an der immensen Verschwendung. von tom kucharz, madrid

Es war nicht der lang ersehnte Regen, der sich am Mittwoch der vorigen Woche über Madrid und einige anderen Gegenden Spaniens ergoss. Es gab bloß ein paar kurze Schauer, die nichts an der verheerenden Dürre ändern konnten, unter der Spanien und Portugal seit Monaten leiden. In manchen Regionen der iberischen Halbinsel hat es seit Oktober vorigen Jahres nicht geregnet. Das gab es seit 1947 nicht mehr.

Wegen der brütenden Hitze sind die Talsperren, Brunnen und Quellen ausgetrocknet. In einigen Gegenden, insbesondere in den nördlichen Pyrenäen, werden seit Wochen Dörfer mit Wassertanks versorgt. Für die Provinzhauptstadt Huesca reicht der Vorrat im Staudamm nur noch drei Monate. Falls der Regen in den kommenden Monaten weiter ausbleibt, ist das ganze Land gefährdet. In Madrid mit 5,8 Millionen Einwohnern und 25 000 Industrieanlagen wird im April mit Wassernot gerechnet. In den 14 Talsperren, die das Ballungsgebiet versorgen, ist die Kapazität bereits um die Hälfe gesunken. »Es kann sich um den Beginn einer jahrelangen Trockenperiode handeln«, sagt die spanische Umweltministerin Cristina Narbona. Aber die 28 Golfplätze rund um Madrid werden weiterhin bewässert. Sie benötigen so viel Wasser wie 100 000 Einwohner für ihren privaten Bedarf.

Von der Dürre besonders schwer betroffen ist die Landwirtschaft. Ein Großteil der Saat ist wegen fehlender Niederschläge erst gar nicht aufgegangen oder vertrocknet. Die Ernteeinbußen sollen in Spanien zwischen 1,6 und 2,7 Milliarden und in Portugal eine Milliarde Euro betragen.

Doch für das Ausmaß der sich abzeichnenden ökologischen Krise ist nicht allein der fehlende Regen verantwortlich. Der Umweltorganisation WWF zufolge stieg in ganz Spanien die sommerliche Durchschnittstemperatur in den letzten 30 Jahren um ein Grad, in Madrid sogar um 2,2 Grad. Dies ist der höchste Wert aller europäischen Hauptstädte, fügt sich aber in die Gesamttendenz ein: In 13 von den untersuchten 16 Hauptstädten konstatiert der WWF einen Anstieg um ein Grad oder mehr.

Jahrelang wurde in Spanien der Klimawandel ignoriert. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 20 Prozent der trockenen Gebiete der Erde von der Desertifikation, also der Wüstenbildung, betroffen. Zu den gefährdeten Regionen gehört auch der Mittelmeerraum. Selbst strömende Regenfälle würden das hydrologische Gleichgewicht nicht wieder herstellen, meint der Wasserexperte Pedro Arojo von der Universität Zaragoza.

Die verschwenderische Wasserpolitik der letzten Jahrzehnte habe die Bevölkerung glauben lassen, dass Wasser unbegrenzt vorhanden sei, sagt der Ökonom und Umweltexperte José Manuel Naredo. Mit einem täglichen Verbrauch von 278 Litern pro Kopf liegt Spanien in Europa an erster Stelle, nur in den USA und Kanada sind es mehr. Zuletzt stieg in Spanien der jährliche Konsum um 13 Prozent.

Das liegt nicht so sehr daran, dass Spanien eine allzu wasserbedürftige Industrie hätte oder die spanischen Haushalte allzu sorglos mit dem Wasser umgingen. Vor allem sind es die Landwirtschaft und der Tourismus, die für den immensen Verbrauch sorgen. Immer neue Hotelanlangen und Ferienhäuser wurden gebaut, in machen Hotels werden täglich 1 300 Liter Wasser pro Kopf verbraucht. In der eigentlich wasserarmen südspanischen Provinz Murcia sind derzeit Wohneinheiten für mehrere hunderttausend Menschen im Bau oder in Planung. Wenn alle Vorhaben realisiert sind, wird sich dort die Zahl der Golfplätze von fünf auf 50 erhöhen.

Noch viel mehr, fast drei Viertel allen Trinkwassers, verbraucht die Landwirtschaft, obwohl sie nur 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzeugt. Gegen alle natürlichen Gegebenheiten werden in trockenen Gebieten Obst und Gemüse angebaut. Insbesondere in den Küstenregionen Murcia, Alicante und Almeria entstand inmitten einer öden Umgebung eine industrielle Landwirtschaft, die fast das ganze Jahr über Tomaten, Gurken und Paprikaschoten produziert. Zwei Drittel aller spanischen Agrarexporte stammen von hier. Diese Landwirtschaft verbraucht nicht nur große Wassermengen, sondern verunreinigt durch die extensive Verwendung von Pestiziden und Düngemitteln das Grundwasser und die Flüsse.

Heutzutage ist die Hälfte der spanischen Flüsse, Grundgewässer und Talsperren überstrapaziert oder stark verschmutzt. Die lokalen Behörden schauen tatenlos zu oder sind in korrupte Machenschaften verwickelt. Die unkontrollierte Wasserverschwendung senkt in ganz Spanien beständig den Grundwasserspiegel. Mit Hilfe von Maschinen, die sonst der Erdölgewinnung dienen, wird immer tiefer nach Wasseradern gebohrt. In Úbeda etwa werden Olivenhaine mit Wasser versorgt, das aus 1 000 Metern Tiefe gepumpt wird.

In den vergangenen zehn Jahren wurden mit der Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums 350 000 Hektar Ackerland mit neuen Bewässerungssystemen ausgestattet. Vier Millionen Hektar sind es insgesamt, die künstlich bewässert werden, berichtet Francisco Amarillo vom Landwirtschaftsministerium. Trotz der Dürre und der Warnungen vor der Desertifikation plant der Staat bis zum Jahr 2008 Bewässerungskanäle für weitere 130 000 Hektar. Doch dieses Vorhaben ist auch innerhalb der Regierung umstritten. »Dass in Gebieten mit Wassermangel immer mehr Bewässerungsanlagen gebaut werden, erschwert den Umgang mit der Dürre«, klagt Antonio Serrano vom Umweltministerium.

Ein weiteres Problem sind die undichten und gebrochenen Leitungen. Einer Untersuchung des Instituts für Statistik zufolge versickern in der Region Valencia auf diese Weise fast 30 Prozent des Trinkwassers, in ganz Spanien sollen es 18,7 Prozent sein.

Nun sollen die bislang extrem niedrigen Wasserpreise steigen. Die Frage, wann die Landwirtschaft, die nur einen Bruchteil des realen Preises zahlt und über mehr als 500 000 illegale Wasserquellen verfügt, zur Kasse gebeten wird, lässt die Umweltministerin aber unbeantwortet. Die sozialdemokratische Regierung scheut davor zurück, einen radikalen Wandel einzuleiten. Stattdessen steckt sie hunderte Millionen in kurzfristige Abhilfe und bittet die EU um Fördermittel aus dem Solidaritätsfonds. Und sie setzt auf Entsalzungsanlagen. Doch die sind nicht nur teuer, sondern verbrauchen auch große Mengen Energie und vergrößern dadurch die Emission von Kohlendioxid. Die steigt schon jetzt, etwa weil immer mehr Klimaanlagen in Wohnungen und Büros installiert werden. In den kommenden Jahren wollen die spanischen Energiekonzerne mehr als 50 neue Kraftwerke in Betrieb nehmen. Die nächste Dürre kommt bestimmt.