Die Basis schrumpft

Die PKK und der türkische Staat von ümit firat

Als die PKK im Jahr 1984 ihre ersten militärischen Aktionen unternahm, hatte die Repression der Militärjunta unerträgliche Ausmaße erreicht. In einer solchen Lage war es nicht verwunderlich, dass die PKK schnell die Sympathien und das Verständnis großer Teile der kurdischen Gesellschaft gewinnen konnte. Der PKK aber, die im Mai vorigen Jahres auf Befehl ihres Führers Abdullah Öcalan den Krieg wieder aufnahm, blieb eine vergleichbare Sympathie und Legitimation versagt.

Öcalans politische Aussagen aus den vergangenen Jahren haben zu einer Reihe von Abspaltungen geführt. Der bedeutendste Bruch ereignete sich Anfang vorigen Jahres, als eine Gruppe führender Kader die PKK verließ und sich daran machte, unabhängige Strukturen aufzubauen und eine eigenständige Politik zu entwickeln. Dieser Bruch machte sich auch in der Demokratischen Volkspartei (Dehap) bemerkbar, etwa in der Loslösung des wichtigen Funktionärs Hikmet Fidan. Wie in anderen totalitären Organisationen wird jedoch in der PKK jede politische Abweichung als Verrat aufgefasst, der mit dem Tod bestraft werden muss. Deshalb musste Fidan sterben. Seine Ermordung ist kein Einzelfall, vielmehr steht sie in einer Reihe mit den Schicksalen von Resul Altınok, Çetin Güngör, Dilaver Yıldırım und anderen.

Die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes offenbart die Ausweglosigkeit, in der sich die PKK befindet. Sie kann nicht länger auf die Unterstützung ihrer einstigen Gönner rechnen, unter denen auch einige Staaten waren. Der Versuch aber, den Krieg mit fern gezündeten Sprengsätzen und Selbstmordattentaten fortzusetzen und verstärkt unbeteiligte Zivilisten anzugreifen, wird dazu führen, dass sie die Sympathien der großen Mehrheit verliert. Je mehr aber ihre Basis schrumpft, umso mehr wird sie sich dazu genötigt sehen, durch einen blindwütigen Aktivismus wenigstens ihrer restlichen Klientel Stärke und Relevanz zu demonstrieren.

Dass eine solche Politik den Alltag der Menschen negativ beeinflusst, liegt auf der Hand, zumal man beobachten kann, dass in der Gesellschaft die Hoffnungen auf eine Demokratisierung schwinden und stattdessen die Furcht vor einem neuen autoritären Regime wächst. Darauf deutet die jüngste Debatte um die Wiedereinführung des »Antiterror-Gesetzes« ebenso hin wie die Forderung hochrangiger Militärs nach mehr Befugnissen für die Terrorismusbekämpfung.

Obwohl die Regierung der Aufnahme der EU- Beitrittsverhandlungen entgegenfiebert, unternimmt sie nichts, um diese Entwicklung aufzuhalten. Vielmehr stellt sie sich den Schritten zur Demokratisierung entgegen. Und all jene, die daran interessiert sind, den Status quo aufrechtzuerhalten – allen voran die Armee und große Teile des Staatsapparats, die Kemalisten, die so genannten linken Nationalisten und die Faschisten –, üben einen größeren Einfluss aus, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Je fruchtloser die Demokratisierungsversuche bleiben, desto mehr schwinden nicht nur die Aussichten auf eine Mitgliedschaft in der EU, sondern auch die Hoffnungen auf eine demokratische Lösung des Kurdenkonflikts. Wenn der Beitrittsprozess negativ verläuft, wird die Gesellschaft verlieren, die genannten antidemokratischen Kräfte dagegen werden profitieren. Profitieren wird auch Abdullah Öcalan, der seinen Aufstieg den repressiven Verhältnissen verdankte und der in einer Gesellschaft, die von den alten Eliten dominiert wird, erneut an Legitimität gewinnen wird.

Ümit Fırat ist Redakteur der kurdischen Monatszeitschrift Serbesti.