Frauen und Männer zuletzt

Der Hurrikan »Katrina« von stefan wirner

Sommer 2005: Hochwasser überspülen Teile Bayerns, der Schweiz und Rumäniens, eine Dürre sucht Portugal und Spanien heim, und ein Hurrikan verwüstet in den USA eine Fläche in der Größe von Großbritannien. Der Klimawandel, so scheint es, zeigt seine Auswirkungen.

Der Hurrikan »Katrina« kostete offenbar mehrere Tausend Menschen das Leben, machte über eine Million obdachlos und legte ein Viertel der US-amerikanischen Ölproduktion lahm. US-Investmentbanken warnen inzwischen vor einer weltweiten Energiekrise. Die Internationale Energieagentur (IAE) beschloss, täglich zwei Millionen Barrel Öl der strategischen Reserven zu verkaufen, um den Ölpreis zu stabilisieren.

Die wirtschaftliche Entwicklung dürfte es auch gewesen sein, die die Regierung der USA mehr beschäftigte als alles andere. Während George W. Bush zwei Tage nach dem Hurrikan in der Lage war, die strategischen Ölreserven der USA freizugeben, war es anscheinend unmöglich, ein paar Hubschrauber nach New Orleans zu schicken, um 30 000 Menschen, die sich in den Superdome geflüchtet hatten, mit Lebensmitteln zu versorgen. Fünf Tage lang harrten sie dort unter apokalyptischen Bedingungen und vor den laufenden Kameras von CNN aus. Die US-amerikanische Öffentlichkeit stellte sich mancherlei Fragen: Warum waren Reporter dort und keine Helfer? Ist George W. Bush ein Rassist, dem das Überleben von ein paar Tausend Schwarzen herzlich egal ist?

Die Regierung hat von der Möglichkeit einer solchen Katastrophe gewusst. Nur wenige Forscher bezweifeln noch den Zusammenhang zwischen den sich häufenden Wetterextremen und dem Ausstoß von Treibhausgasen. Im Oktober 2003 warnte eine Studie aus dem Pentagon davor, dass der Klimawandel eine größere Gefährdung der Sicherheit der USA darstellen könne als der internationale Terrorismus. Peter Schwartz, der Autor der Untersuchung und frühere Planungschef bei Shell, empfahl, sich auf Migrationsströme vorzubereiten und die Grenzen zu verstärken. Die Bilder aus dem Superdome zeigen auch, wie in zukünftigen Krisen mit den betroffenen Menschen verfahren werden könnte.

In Deutschland wurden die üblichen Ressentiments laut; es geschehe den »Amis« ganz recht, hieß es wieder mal unter der Hand. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, »dass wir gut daran tun, bei der Frage, wie viel Staat wir brauchen«, genau hinzusehen. Denn wenn man sehe, »wie wir solche nationalen Katastrophen bewältigt haben, dann hat das schon deutliche Unterschiede«. Doch die Bewältigung des Elbe-Hochwassers im Jahr 2002, auf das Schröder anspielte, war nicht nur dem Krisenmanagement zu verdanken. Die Flut hatte schlicht nicht die Auswirkungen von »Katrina«. Schon beim nächsten Mal kann auch in Deutschland die staatliche Hilfe an ihre Grenzen stoßen.

Die Wetterphänomene verschärfen sich, daran würde auch eine Unterschrift unter das Protokoll von Kyoto, die Bundesumweltminister Jürgen Trittin von Bush verlangte, vorerst nichts ändern. Der Klimawandel wird nicht von den USA, wie Trittin suggerierte, sondern von der kapitalistischen Produktionsweise verursacht, die auf der hemmungslosen Ausbeutung der Ressourcen basiert. Diese Produktionsweise wird nicht in Frage gestellt.

New Orleans zeigt: Im Falle der Katastrophe hat für den Staat der Schutz der Reproduktionsbedingungen des Kapitals Priorität. Gegen Plünderer, die sich Lebensmittel aus Supermärkten holen, wird militärisch vorgegangen, und wenn dann noch Zeit ist, werden auch ein paar Menschen gerettet.