Oh, when the Saints …

Seit der Flutkatastrophe ist der American Football-Club All Saints New Orleans ohne Superdome. Vielleicht zieht er ganz aus der Stadt weg. von elke wittich

Sportler, so ist zu vermuten, hören routinemäßig weg, wenn wieder einmal die Grußadresse irgendeines Lokalpolitikers verlesen wird. Beim Spiel der American Football-Mannschaft All Saints gegen die Carolina Panthers dürfte dies jedoch gründlich anders gewesen sein. Denn zum einen sind die All Saints in New Orleans beheimatet, zum anderen war der Absender der Note der Bürgermeister Ray Nagin, der durch seine wütend-verzweifelten Vorwürfe an die Regierung Bush während der Flutkatastrophe zur nationalen Berühmtheit geworden war. Zudem ist das nach seinem Gründungstag Allerheiligen genannte Team durch die Folgen des Hurrikans Katrina selbst betroffen, der Schaden am heimischen Superdome beläuft sich nach ersten Schätzungen auf knapp 400 Millionen Dollar. Das erste Heimspiel musste deswegen im Louisiana Superdome absolviert werden, die Mannschaft hatte zuvor nahe gelegene Notunterkünfte, in denen die Opfer der Flutkatastrophe untergebracht sind, besucht.

»Wir wussten, dass wir den Bürgern von New Orleans mit einem Sieg ein klein wenig mehr Hoffnung schenken konnten. Ich bin überglücklich, dass uns dies gelungen ist«, sagte Saints-Quarterback Aaron Brooks nach Spielende – allerdings hatte man sich damit viel Zeit gelassen, erst drei Sekunden vor dem Ende der Partie gelang das alles entscheidende Field Goal zum 23 zu 20 gegen die Panthers.

»Das heimatlose Team gewann für seine heimatlosen Fans«, kommentierten US-Zeitungen später die »Geschichte zum Herzerwärmen und Flaggenschwenken«. Wobei es bislang nur sehr wenige Erfolgsstorys rund um die All Saints gab: Am 1. November 1966 wurde das Team als städtisches Franchise-Unternehmen der NFL gegründet. Der spektakulärste Erfolg gelang am 8. November 1970, als Tom Dempsey ein Field Goal aus 63 Yard Entfernung erzielte, eine Marke, die zwar 29 Jahre später egalisiert, aber bis heute nicht gebrochen wurde. Der sportliche Rekord der Saints ist dagegen ein zweifelhafter: Sie sind das NFL-Team, das am längsten ohne Super Bowl-Teilnahme ist, nicht einmal in die Qualifikationsrunde schaffte man es jemals.

Was der Liebe der Fans zu ihrer Mannschaft bisher kaum Abbruch tat. Nunmehr aber ist New Orleans wegen Katrina erstmals seit 39 Jahren ohne professionelles Football-Team – unter Umständen für lange, lange Zeit. Die gesamte Saison 2005 werden die Saints ihre Heimspiele nicht in New Orleans austragen. Die Matches werden nach einem Beschluss der NFL entweder im 130 Kilometer entfernten Tiger Stadium in Baton Rouge oder im 869 Kilometer entfernten Alamodome in San Antonio / Texas ausgetragen.

Wie es danach für die New Orleans Saints weitergeht, ist noch unklar. Der Superdome, so Insider, wird wohl komplett abgerissen werden müssen. Allerdings soll eine endgültige Entscheidung erst Ende des Jahres fallen, wenn ein Gutachten über die genauen Schäden an dem Gebäude vorliegt.

Falls das Stadion wirklich der Abrissbirne zum Opfer fallen muss und nicht renoviert werden kann, gibt es ein großes Problem: Die Stadt New Orleans wird sich einen Luxus wie den Neubau einer riesigen Sportstätte auf absehbare Zeit kaum leisten können. In diesem Fall gehen die meisten US-Journalisten davon aus, dass das Franchise-Unternehmen All Saints einfach verlegt wird, wie es bisher schon mehrmals vorkam. Der neue Unternehmensstandort dürfte dann San Antonio sein: Dem Vereinsbesitzer Tom Benson werden gute Geschäftsbeziehungen in der Stadt nachgesagt, Gerüchte über einen Umzug zirkulierten bereits vor der Naturkatastrophe.

Allerdings sei es, so Experten, auch möglich, dass Los Angeles die neue Heimat des Teams wird, denn die Stadt verlor 1995 mit den Rams und den Raiders gleich zwei Teams durch Umzüge und ist seither sehr erpicht darauf, Heimat eines NFL-Vereins zu werden.

Die Sportart boomt dabei nach wie vor. Und auch außerhalb des Football-Mutterlands USA sieht man die NFL-Vereine als das Nonplusultra, selbst wenn sich in den meisten Ländern eigene, von der Zuschauerresonanz her recht erfolgreich spielende Ligen etabliert haben.

Am vierten Spieltag gab es daher eine Premiere in der 86jährigen Geschichte der National Football League: Zum ersten Mal traten in einer regulären Liga-Partie zwei Teams außerhalb der USA gegeneinander an. Mehr als 100 000 Fans verfolgten im Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt das Spiel der Arizona Cardinals gegen die San Francisco 49ers, das die Cardinals klar mit 31 zu 14 für sich entscheiden konnten. Mit der Zuschauer-Resonanz war dabei durchaus gerechnet worden, denn schon vor dem Beginn des Matches hatte der Commissioner der NFL, Paul Tagliabue, erklärt, dass künftig in jeder Saison mindestens ein Spiel im Ausland ausgetragen werden solle.

Über die genauen Modalitäten wie die Kriterien, nach denen die teilnehmenden Vereine ausgesucht werden, und ob auch Matches in Übersee oder nur auf dem amerikanischen Kontinent stattfinden sollen, ist jedoch noch nichts Genaues bekannt. Aus finanzieller Sicht wären Matches in Europa für die Clubs sicher lukrativ, da sie ihren Bekanntheitsgrad durch solche Werbevorführungen massiv verstärken und den gewinnträchtigen Umsatz von Fanartikeln dort im Gegensatz zum weitgehend gesättigten US-Markt weiter ankurbeln könnten. Vielleicht treten ja auch die All Saints dann in der nächsten oder übernächsten Saison einmal in Berlin, München oder Köln an. Welche Ortsbezeichnung sie dann in ihrem Teamnamen führen werden, steht dann sicherlich auch endlich fest.

In San Antonio sind die Sportkommentatoren übrigens nicht einhellig begeistert über den zunächst nur temporären Footballverein der Stadt. Erst am Freitag schrieb der Kolumnist Michael Cary des San Antonio Current: »NFL in SA? Stoppt den Blödsinn!« Und er schilderte detailliert, wie schief der erste Versuch, ein Footballteam in der Stadt anzusiedeln, gegangen war. Damals, Mitte der Achtziger, habe der damalige Gouverneur George W. Bush alles daran gesetzt, die Gunslingers zu holen. Deren Besitzer war mit dem Versprechen angelockt worden, im zuvor für 180 Millionen Dollar steuerfinanzierten Stadion auch noch einen teuren Kunstrasen auf Kosten der Stadt zu installieren – was wenig nutzte, denn der Alamodome blieb weitgehend leer und »die Gunslingers waren nach kurzer Zeit Geschichte«. Die traurige Wahrheit sei ganz einfach, »dass die Fans aus San Antonio einfach zu wenige sind, um ein eigenes Team zu unterhalten«, meint Cary.

»Bubba«, so fährt er im Hinblick auf Bush fort, wolle »immer noch ein eigenes Footballteam in der Stadt, und seien es die All Saints«. Die nun in dieser Saison ihre Heimspiele in San Antonio austragen, »nachdem die Bush-Administration dem Ertrinken von New Orleans präsidiert hat«.

Man solle sich nichts vormachen, schreibt Cary weiter, »in ein oder zwei Jahrzehnten ist San Antonio sicher so weit, dass es ein eigenes Footballteam haben und in der Stadt halten« könne. Bis dahin solle man zunächst die zeitweiligen Heimspiele der All Saints genießen, »und auf keinen Fall versuchen, den Einwohnern des so geplagten New Orleans ihr geliebtes Team wegzunehmen«.