Rüttgers kam

Dokumentation zum Wahlkampf der CDU in Nordrhein-Westfalen

Haben Sie nicht auch gelegentlich das Gefühl, die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sei erst gestern gewesen? Oder heute? Oder gar morgen? Endlich gibt es eine Erklärung für dieses Phänomen: Die CDU führte den »Wahlkampf der Zukunft«, und der führte zum »historischen Sieg« Jürgen Rüttgers’, wie auf handlichen 96 Seiten nachzulesen ist.

Der Wahlkampf der Zukunft ist anders als alle anderen. Er setzt auf Mobilität: Rüttgers auf dem Fahrrad, Rüttgers zu Fuß, Rüttgers auf dem Schiff. Und er setzt auf Hightech: Mit dem »mobilen Kommunikationsgerät ›Black Berry‹« können alle Beteiligten »an allen Orten und zu jeder Zeit von der Wahlkampfleitung per E-Mail« informiert werden. Das Soziale kommt keineswegs zu kurz. Rüttgers umringt von Kindern, Rüttgers umringt von älteren Leuten, »Rüttgers – ganz persönlich«.

Wahlkampf der Zukunft, das ist reiner Sex: »Rüttgers kommt.« Das sind körpereigene Drogen und Rock’n’Roll: »Als Jürgen Rüttgers, begleitet von seiner Frau und der Hymne ›The Final Countdown‹ in den Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf einzieht, brechen die 1 300 Besucher in frenetischen Jubel aus.«

Der Wahlkampf der Zukunft wäre nichts ohne die drei »G« – »glaubwürdig, gemeinsam, gezielt« –, ohne »drei Wellen«, die gleichzeitig »Stufen« sind, und ohne den »kämpferischen Dreisatz« von Jürgen Rüttgers. »Erstens: So geht es nicht mehr. Zweitens: Die anderen sind schlecht. Drittens: Wir sind besser.«

»Wer will schon einen langweiligen Plakatwald?« Niemand! Die Wahlplakate der Zukunft zeigen exklusiv Schüler und Bauarbeiter. Ein Blick in die »Ideenwerkstatt« verrät, was die Konservativen noch auf Lager haben. »In 100 Tagen macht Rot-Grün den Abflug« ist zu lesen über dem Bild eines Flugzeugs der »Und tschüss! AIR« mit rot-grüner Heckflosse.

Der Wahlkampf ist ein Kampf mit allen Mitteln. Es turnt Eberhard Gienger. Perfekte Metaphern und schrille Ideen kommen zum Einsatz. »Der Startschuss trifft ins Schwarze.« Blaue Schals statt roter Socken – Wahnsinn!

»3 696 506 Bürger stimmen für den Wechsel.« Als wäre es gestern gewesen. Oder heute. Oder morgen. Am 18. September wählten die Nordrhein-Westfalen wieder Rot-Grün, weil Angela Merkels Bundestagswahlkampf kein »Wahlkampf der Zukunft« war. Nunmehr kann sie nachlesen, wie man es richtig macht.

regina stötzel