Rechtsrock bewährt sich

Am Landgericht Halle wurde gegen einen Organisatoren des Vertriebs von Rechtsrock verhandelt. Der Beschuldigte war geständig, und der Richter zeigte sich milde. von tobias damm

Kamerad, Kamerad – Es lautet der Befehl: Ran an den Feind! Ran an den Feind! Bomben auf Israel!« Beklemmend still ist es im Saal, als die Staatsanwältin Felicites Nest vor der Staatsschutzkammer am Landgericht Halle vorliest. Ihr gegenüber sitzt regungslos der Angeklagte Ingo Grönwald aus Weimar. Mit ausdrucksloser Miene blickt er in die Akte seines Verteidigers, als ob er den Text nicht kenne. Die zitierte Zeile stammt aus dem Lied »Ran an den Feind« von der gleichnamigen Platte der Band Landser, die im Mai 2005 vom Bundesgerichtshof als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde.

Ingo Grönwald war in die Vertriebsstruktur der in London produzierten CD eingebunden und wurde deshalb Mitte voriger Woche in einem nicht mal dreistündigen Verfahren vom Landgericht Halle wegen Volksverhetzung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu 150 Arbeitsstunden und einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Strafe wurde allerdings zu einer dreijährigen Bewährung ausgesetzt.

Der 36jährige gelernte Zimmermann ist kein Unbekannter in der Neonaziszene Thüringens. Er war an der Organisation zahlreicher Konzerte für das mittlerweile verbotene Netzwerk »Blood & Honour« beteiligt und eröffnete 1993 den Textilienladen »Phoenix US-Shop« in Weimar sowie einige Jahre später das Geschäft »Way of Life« in Halle. Beide Läden entwickelten sich zu beliebten Aufenthaltsorten von Rechtsextremen. Von hier aus wurde schließlich die Verschickung rechter und teilweise indizierter Musik organisiert.

Mit der CD »Republik der Strolche« stieg Grönwald 1996 fest in den Merchandise-Vertrieb der Neonaziband Landser ein. Die in der rechten Szene beliebte Kleidungsmarke »Walhall« ließ er auf seinen Namen registrieren. Irgendwann jedoch hatte auch seine Glückssträhne ein Ende. Bei den Ermittlungen gegen die Gruppe Landser wurden Polizeibeamte auch auf den Versandhandel in Weimar aufmerksam. Im August 2000 durchsuchten sie die Läden und gleichzeitig noch neun weitere Objekte. Dabei fielen den Behörden 6 400 CDs, 30 000 CD-Covers, Videos, Hakenkreuz-Plakate und ein Computer mit dem Motiv für die Promotion der CD »Ran an den Feind« in die Hände. Nach eigenem Bekunden konnte Grönwald seine Geschäfte wegen den großen Repressalien nicht mehr finanzieren, musste Mitarbeiter entlassen und am Ende schließen.

Vor der Staatschutzkammer des Landgerichts Halle legte der Beschuldigte ein umfassendes Geständnis zu der Anklageschrift aus dem Jahr 2002 ab. Zuvor hatten sich die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung auf das Strafmaß geeinigt: Bei einer Aussage des Angeklagten würde die Haftstrafe ein Jahr und sechs Monate, ausgesetzt zur Bewährung, nicht überschreiten. Ohne eine dahingehende Äußerung Grönwalds ging der Richter Klaus Braun in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass der Beschuldigte seine bisherigen Aktivitäten eingestellt habe, und setzte die Strafe zur Bewährung aus. Auch wurde die lange Verfahrensdauer zugunsten des Angeklagten gewertet.

»Das Urteil war für mich durchaus mit starken Bauchschmerzen verbunden«, sagte Braun in seiner kurzen Urteilsbegründung. Schließlich stand Grönwald, der Vater eines 14jährigen Jungen, nicht zum ersten Mal vor Gericht. Wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und Volksverhetzung war er bereits zwei Mal zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Außerdem verurteilte ihn das Landgericht Weimar wegen Nötigung zu einer Geldstrafe. Grönwald hatte einen Jugendlichen durch die Stadt geschleppt, den er beschuldigte, die Scheibe seines »Phoenix US-Shop« eingeworfen zu haben. Als er die Rechtsrock-CDs vertrieb, war Grönwald jedoch noch nicht auf Bewährung, was ihm vor dem Landgericht zugute kam.

Auf heftige Kritik stieß das Urteil in der »Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus« in Weimar. »Bei dem schnellen Verfahren ist der Beschuldigte nicht zu den Hintergründen der Tat befragt worden. Das Gericht muss sich deshalb die Frage gefallen lassen, welches Signal es damit in die Welt sendet«, kritisierte der Koordinator Fritz Burschel den Ausgang der Gerichtsverhandlung.

Weil Grönwald ein vollständiges Geständnis zu allen Anklagepunkten ablegte, blieben ihm wesentliche Fragen nach unbekannten Hintergründen erspart. Wegen des Geständnisses kam es erst gar nicht mehr zu einer Beweisaufnahme. Auch wenn die Produktions- und Verbreitungswege der »Landser«-Waren mittlerweile bekannt sein dürften, wäre es sicher nicht uninteressant gewesen, wenn die Anklage im Prozess weitere Beweismittel angeführt hätte. Auch die Protokolle abgehörter Telefongespräche wurden vor Gericht nicht berücksichtigt.

Als Grönwald mit seinem spärlichen monatlichen Einkommen begründete, warum er keine Geldstrafe zahlen könne, hakte die Staatsanwältin auch nicht wegen dem Patent für »Walhall« nach. Da die Marke auch heute noch verkauft wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Grönwald nach wie vor eine Quelle für einen Nebenverdienst hat. Auf Nachfrage nach Prozessende sagte die Vertreterin der Anklage, die Marke sei ihr im Zusammenhang mit Grönwald nicht bekannt.

»Mir drängte sich bei der Befragung spontan der Eindruck auf, dass die Anklage einfach nicht tiefer nachhaken wollte«, zeigte sich eine Prozessbeobachterin aus Halle nach dem Ende der Verhandlung enttäuscht. Es bleiben viele offene Fragen. Zum Beispiel nach den Kontakten zu den Versandbetreibern von »Way of Life«, die den Laden weiterführen und die nach wie vor neonazistischen Textilien im Internet anbieten, oder den Kontakten zu den ehemaligen Käufern wie zum Beispiel dem Thüringer Neonazi-Kader Thorsten Heise. Als er den Gerichtssaal verließ, stand fest: Ingo Grönwald hat nichts erzählt, was die Ermittler nicht ohnehin schon wussten. Alles andere behält er für sich.