Energische Freundschaft

Die deutsche-russische Energieallianz von carlos kunze

Die martialische Metapher vom »Gaskrieg« fällt nicht vom Himmel. In ihr spiegeln sich die härter werdenden Verteilungskämpfe um die Energierohstoffe. Und die Akteure, die an diesen Auseinandersetzungen beteiligt sind, verhalten sich entsprechend mafiös.

Der so genannte halbstaatliche russische Konzern Gazprom bricht kurzerhand den Vertrag mit der Ukraine über Vorzugspreise, der mit der Kutschma-Regierung ausgehandelt worden war, um »Weltmarktpreise« zu erhalten, und dreht den Gashahn ein wenig zu. Im Gegenzug zapft die Ukraine Gas ab, was zu Engpässen in Europa führt und auch führen soll: Damit wird die Reputation Russlands als »zuverlässiger Lieferant« angekratzt.

Für Deutschland hat das ganze eine besonders pikante Note. Schließlich hat Gerhard Schröder noch als Bundeskanzler mit Russland ein »Jahrhundertgeschäft« eingefädelt: den Bau einer Gaspipeline durch die Ostsee vom russischen Wyborg nach Greifswald. Bei der Zeremonie zum Baubeginn im Dezember tauchte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auf und unterstrich damit die strategische Bedeutung der »Energieallianz« mit Russland. Schröder soll den Posten des Aufsichtsratschefs beim Konsortium Nordeuropäische Gaspipeline übernehmen, an dem Gazprom mit 51 Prozent und die Eon-Tochter Ruhrgas sowie die BASF-Tochter Wintershall mit je 24,5 Prozent beteiligt sind.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik hat im September das Projekt analysiert, wobei insbesondere die »russischen Interessen«, das heißt die Interessen der russischen herrschenden Klasse, ins Blickfeld gerieten. »Für Gazprom und den Kreml steht die Tatsache im Vordergrund, dass mit der Ostseepipeline die herkömmlichen Transitländer Ukraine, Belarus und Polen umgangen werden. Dies stärkt die Position des russischen Gaskonzerns bei den Verhandlungen über die Gastransitgebühren, der darüber hinaus den noch niedrigen Preis des an Belarus und die Ukraine gelieferten Gases leichter an den Weltmarktpreis anpassen kann.« Und es folgt eine Prognose: »Bei einer Unterbrechung der über Land führenden Leitungen wäre eine Ersatzkapazität vorhanden – freilich ist es sehr unwahrscheinlich, dass es wegen politischer Händel jemals dazu kommen wird.« Dumm gelaufen, drei Monate später ist es zu einer solchen Unterbrechung gekommen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und einen Zusammenhang zwischen dem Pipeline-Deal, der »die Position des russischen Gaskonzerns stärkt«, und dem kurz darauf folgenden russischen Vorgehen gegenüber der Ukraine sieht.

Das Ergebnis der Analyse im Hinblick auf die »deutschen Interessen« sieht so aus: »Während die volkswirtschaftlichen Vorteile der Ostsee-Pipeline kaum spektakulär zu nennen sind, treten die von ihr verursachten außenpolitischen ›Kollateralschäden‹ um so klarer zutage: Das Vorhaben verschlechtert faktisch die Position der östlichen Nachbarstaaten Deutschlands gegenüber Russland und schürt deren Misstrauen in Deutschlands außenpolitische Ziele.« Kaum Vorteile, nur Schäden für das uneigennützige Deutschland?

Keineswegs: Die Gaslieferungen des Ost­see-Konsortiums sollen, so schreibt Kai Ehlers im Freitag, »in Euro abgerechnet werden«; »angesichts der Tatsache, das nach wie vor der Dollar als die Währung gilt, in der Öl- und Gastransfers abgewickelt werden«, erscheine »die sich abzeichnende Praxis von strategischem Gewicht«. Und dafür nehmen der deutsche Staat und das deutsche Kapital doch gerne einige außenpolitische »Kollateralschäden« in Kauf.