Küss die Hand, gnä’ Stadt!

Bremen war die »Stadt der Wissenschaft 2005« und niemand hat’s gemerkt. Jede Stadt sollte sich besser selbst einen hübschen Titel verleihen. von christoph spehr

Einerseits geht es immer darum, die Akzeptanz für irgendwas zu fördern. »Es ist wichtig, den Beitrag der Wissenschaft zum Strukturwandel öffentlich zu machen. In der Bevölkerung muss – auch angesichts allgemein knapper werdender Ressourcen – um Verständnis und Akzeptanz für Forschung und Technologietransfer geworben werden.« So hatte Bremen es in seiner Bewerbung zur »Stadt der Wissenschaft« geschrieben, so hatte es dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefallen, der diesen Titel im Jahr 2005 erstmals verlieh.

Eigentlich sollte der besser »Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft« heißen, denn er ist der Dachverband jener Organisationen, die zu dem Zwecke ins Leben gerufen wurden, Geld zu verwalten, mit dem das private Kapital steuerfrei und öffentlich gefördert für seine Zwecke forscht und entwickelt. Als Zuckerl obendrauf gibt es solche Aktivitäten wie die jährliche Ausschreibung für die »Stadt der Wissenschaft«. Weil ja auch »die Bevölkerung«, doof wie sie ist, verstehen muss, dass diese Art von Wissenschaft Not tut.

Andererseits ist das alles immer ganz schön erbärmlich. 250 000 Euro hat Bremen bekommen, ein Witz. Ein Verlustgeschäft, bei Ausgaben von einer Million Euro für das bisschen Wissenschaftsrummel. Irgendwo standen ein paar Container, in denen hin und wieder Vorträge gehalten wurden. Manches war auch schön, wie etwa das »Quantenschaum«-Programm der Bremer Shakespeare Company.

Alles war »Edutainment«, leicht verdaulicher, unterhaltsamer öffentlicher Schulunterricht mit der Botschaft, dass Wissenschaft irgendwie gut ist, auch wenn manchmal Menschen dran sterben. Nein, das mit dem Sterben bitte wieder streichen: So ernst ging es da nicht zur Sache, so hart wurde hier nicht um Akzeptanz gerungen. Mit demokratischer Wissenschaft hatte es ohnehin nicht das Geringste zu tun, eher mit Zirkus. So sinnierte denn auch Gerold Wefer, einer der Projektkoordinatoren, angesichts der schwach besuchten Container: »Ein Zelt wäre vielleicht besser gewesen.«

Ein Drittel der BremerInnen bekam bis Jahresende gar nicht mit, dass Bremen vorübergehend »Stadt der Wissenschaft« war. Nur etwa ein Zehntel besuchte wenigstens eine der Veranstaltungen, Touristen kamen gar nicht. Das hat eine Evaluation der Bremer Universität ergeben.

Trotzdem war alles ein Erfolg, na klar, ein gewaltiger »Imagegewinn«, zumindest nach Ansicht der Bremen Marketing GmbH und der Bremer TouristikZentrale. Komisch nur, dass der Run auf den Titel dennoch spürbar nachgelassen hat. Bremen musste sich noch gegen 36 konkurrierende Bewerbungen durchsetzen. Dresden, die »Stadt der Wissenschaft 2006«, hatte nur noch fünf Mitbewerber. Braunschweig, voriges Jahr knapp gescheitert und weiterhin motiviert, könnte es vielleicht ganz ohne Konkurrenz schaffen, »Stadt der Wissenschaft 2007« zu werden.

Für Bremen stellte dieser Titel vor allem so etwas wie einen Trostpreis dar, nachdem es mit der Europäischen Kulturhauptstadt nichts geworden war. Eine Art marketingtechnisches Frustshoppen in Sachen Standortwettbewerb. Viele BremerInnen, ich eingeschlossen, dachten deshalb zunächst, die Stadt hätte sich den Titel »Stadt der Wissenschaft« selbst ausgedacht und selbst verliehen.

Warum auch nicht? Gegen den aristokratischen Titelwahn gab es immer schon zwei demokratische Strategien. Die russische, bei der alle Titel abgeschafft werden. Und die österreichische, bei der jeder einen Titel bekommt und sich selbst als Hofrat, Kommerzienrat, Staatsmarschall oder Lippizanersergeant ausgibt. Also, ihr Städte: Mut zur Selbsternennung! Es gibt so viele schöne Titel. Berlin, Stadt des Sozialabbaus. Aschaffenburg, Stadt des cholesterinreichen Essens. Bremen, Stadt der meisten Discomorde. Wer braucht da noch diesen blöden Stifterverband? Ein Logo, ein Flyer, eine Presseerklärung, und los geht’s. Aber nicht vergessen: Zelte sind besser!