Gute Idee aus der falschen Ecke

Rechtsnationale polnische Politiker fordern die Errichtung eines »Zentrums des polnischen Martyriums« in Berlin. von oliver hinz

Die Partei Liga Polnischer Familien hetzt oft gegen Deutsche. Trotzdem gibt sich ihr Vorsitzender Marek Kotlinowski gegenüber dem Land der einstigen Aggressoren zuckersüß, wenn er fordert, in Berlin ein »Zentrum des polnischen Martyriums« zu errichten. Kein kritisches Wort über Deutschland. Es gehe ihm keinesfalls um Revanchismus, sondern um das Bauen der »deutsch-polnischen Freundschaft in Anlehnung an die historische Wahrheit«, erklärt der Politiker der Jungle World. Und weil die Familienliga nicht nur rechtsradikal, sondern auch ultraklerikal ist, beruft sich der stellvertretende Präsident des Parlaments dabei auf den derzeitigen Papst und seinen Vorgänger: »Benedikt XVI. und Johannes Paul II. verbinden Deutsche und Polen. Sie sind Wegweiser für uns.«

In den nächsten Tagen will Kotlinowski einen Antrag im polnischen Parlament stellen. Gefordert wird ein Appell an die polnische Regierung, mit der Bundesregierung über die Schaffung einer Berliner Gedenkstätte für polnische Nazi-Opfer zu sprechen. Falls die deutsche Regierung dies ablehne, sollte man stattdessen mit Bürgerinitiativen reden. »Wir sollten überhaupt mehr auf die deutsche und polnische Gesellschaft setzen, nicht so auf die Regierungen«, meint der Antragsteller.

Etwa sechs Millionen Polen wurden im Zweiten Weltkrieg getötet. Bezogen auf seine Größe verlor das Land mit über 17 Prozent die meisten Einwohner in Europa. Das Vorhaben, an das immense Leid, das Deutsche Polen zugefügt haben, in Berlin zu erinnern, unterstützen viele Politiker und Experten auf beiden Seiten der Oder. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) macht sich dafür stark, Kotlinowskis Idee in das in Berlin geplante »Zentrum gegen Vertreibungen« zu integrieren. Aber die Initiative kommt aus der falschen Ecke in Warschau, meinen viele, auch in Polen.

Hinter dem Museumsprojekt steht nämlich nach eigenen Angaben die Polnische Treuhand aus der Hafenstadt Gdynia (Gdingen), wo 1939 die deutschen Besatzer die polnische Bevölkerung brutal aussiedelten. »Wir haben über unseren Bevollmächtigten in Deutschland, Rechtsanwalt Stefan Hambura, vorgeschlagen, dass in Deutschland ein ›Zentrum des polnischen Martyriums‹ entsteht«, heißt es in einer Mitteilung der Vorsitzenden Dorota Arciszewska-Mielewczyk, einer Politikerin der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit. Dieses Zentrum solle der deutschen Jugend ermöglichen, »die Geschichte aus der richtigen Perspektive zu erlernen«. Die Polnische Treuhand bestreitet jedoch, dass Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben wurden, sie seien nur geflohen.

Die rechtsnationale 37jährige Politikerin gründete die Vereinigung vor einem Jahr, weil die Preußische Treuhand, eine Firma deutscher Vertriebener, Klagen gegen Polen angekündigt hatte. Seither droht sie ebenfalls mit juristischen Schritten gegen die Bundesrepublik. Auf der Website der Polnischen Treuhand wird man mit einem Pro­pa­gan­da­pla­kat aus dem Zweiten Weltkrieg begrüßt. Über dem aktualisierten Schriftzug: »Hände weg! 1939–2005« ist eine Hand mit Hakenkreuz zu sehen, die nach einer Fabrik greift und von einem polnischen Soldaten mit Bajonett abgewehrt wird.

»Der Kampf gegen Deutschland dauert an und das Problem ist aktuell«, erklärte Arciszewska-Mielewczyk in der Gazeta Wyborcza, die groß und kritisch über das Plakat berichtete. »Es sollte heftig sein, weil die Deutschen uns auch nicht zimperlich behandeln. Wir setzen uns nicht zur Ruhe, solange Personen wie Erika Steinbach ihre Hände nicht von Polen lassen.« Immerhin versicherte die Chefin der Polnischen Treuhand, sie wolle nicht die polnische Erika Steinbach werden. Denn die Initiatorin des Berliner »Zentrums gegen Vertreibungen« ist ihr zufolge eine deutsche Nationalistin.