Jobs für Patrioten

Militante Proteste gegen die Präsenz von Truppen der UN und Frankreichs sollen eine weitere Internationalisierung des Konflikts in der Côte d’Ivoire verhindern. von ruben eberlein

So schnell sich die Proteste im Süden der Côte d’Ivoire ausgebreitet hatten, so schnell kamen sie am Freitag wieder zum Erliegen. Vier Tage lang hatten in Abidjan und anderen Städten tausende Menschen Stützpunkte, Büros und Fahrzeuge der UN-Mission Onuci attackiert, die französische Botschaft belagert, Straßensperren errichtet und den unverzüglichen Abzug der im Land stationierten internationalen Truppen gefordert. UN-Soldaten erschossen Demonstranten, die versuchten, eine Basis in Guiglo im Westen des Landes zu erstürmen. Hunderte Blauhelme flüchteten vor den Angreifern.

Der Aufstand begann, nachdem die Internationale Arbeitsgruppe (GTI) eine Verlängerung der Legislatur des ivoirischen Parlaments ausgeschlossen hatte. Das Mandat der Parlamentarier war im Dezember vergangenen Jahres abgelaufen. Mit der faktischen Auflösung des Parlaments würde die GTI, ein von der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen initiiertes Forum von Repräsentanten afrikanischer Staaten, der EU, Weltbank, Ecowas und UN, ihren politischen Einfluss erheblich steigern. Die Regierungspartei FPI von Präsident Laurent Gbagbo, der nach der Verschiebung der ursprünglich für Oktober 2005 geplanten Wahlen für mindestens ein weiteres Jahr im Amt bleiben wird, passt diese verstärkte Internationalisierung des Konfliktes nicht ins Konzept.

Die Côte d’Ivoire ist seit dem gescheiterten Putsch im September 2002 in einen von der Regierung kontrollierten Süden und den von der bewaffneten Opposition der Forces Nouvelles kontrollierten Norden geteilt. Eine 7 500 Mann starke UN-Truppe und 4 000 französische Soldaten überwachen in einer »Zone des Vertrauens« die Einhaltung des fragilen Waffenstillstands. Mehrere Friedensabkommen fixierten vor allem diesen Status quo, während die Hardliner um Gbagbo weiterhin auch militärischem Vorgehen den Vorzug zu geben scheinen.

Ob die erst im Dezember des vergangenen Jahres ernannte neue Übergangsregierung ihre Arbeit überhaupt aufnehmen wird, ist fraglich. Noch im September warben nach Erkenntnissen von Human Rights Watch ivoirische Militärs demobilisierte Milizionäre im Nachbarland Liberia an. Die Rekrutierung der unterbezahlten und hastig unterwiesenen neuen Soldaten beschleunigt eine Fraktionierung der Armee. Der 2004 abgesetzte Stabschef Mathias Doue soll Informationen der Zeitschrift Africa Confidential zufolge ein Bündnis mit den Forces Nouvelles zum Sturz von Gbagbo etabliert haben.

Der wirtschaftliche Niedergang des Landes sorgt seinerseits für ein Heer von leicht zu mobilisierenden Fußtruppen für politische Unternehmer auf allen Seiten. Die Fortsetzung des Kriegs verspricht vor allem jungen Männern sozialen Aufstieg, der auf andere Art nicht zu erreichen ist. »Ich schäme mich ein wenig, bereits 27 Jahre alt zu sein und immer noch kein Einkommen zu haben«, erklärte zum Beispiel der arbeitslose Mechaniker Olivier einem Reporter der Nachrichtenagentur Irin. »Doch ich bin Patriot, gehe zu Märschen, nehme an Sit-ins teil. Ich habe einen Job.«

Die Internet-Seite des Congrès Panafricain der Jungen Patrioten, die die Proteste gegen die »neokoloniale Bevormundung« koordinierten, schmückt ein Portrait des Antiimperialisten und ersten ghanaischen Staatschefs Kwame Nkrumah. Doch anders als Nkrumah, der Vorkämpfer des Panafrikanismus, vertreten die militanten Anhänger des FPI einen autokratischen Nationalismus, der mit xenophober Agitation gegen angebliche Einwanderer große Teile der ivoirischen Gesellschaft ausgrenzt. Die mafiöse Campus-Herrschaft der Studentenvereinigung Fesci, aus der sich viele Anhänger des FPI rekrutieren, gibt einen Vorgeschmack auf jene »souveräne« Côte d’Ivoire, die in der vergangenen Woche gefordert wurde.