Friede, Freude, Pfefferminztee

Die außenpolitischen Vorstellungen der Linkspartei. von stefan wirner

Die Presseerklärung von Wolfgang Gehrcke klang besorgt. Der Wahlsieg der Hamas habe zu einer »dramatischen Veränderung der Lage im Nahen Osten« geführt, analysierte der Sprecher für internationale Beziehungen der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Umgehend zog er »Schlussfolgerungen der Vernunft«. Auch mit einer Regierung unter Führung der Hamas müsse es einen »internationalen Dialog« geben. Die Bedrohung für Israel, die von den radikalen Islamisten ausgeht, erwähnte er mit keinem Wort. Stattdessen befürchtete er: »Der Hamas-Wahlsieg in Palästina birgt die Gefahr, dass nun bei den in Israel bevorstehenden Wahlen rechtspopulistische Kräfte Auftrieb erhalten und sich die Wahlchancen für Netanjahu deutlich verbessern.«

Der außenpolitische Sprecher der Fraktion, der emeritierte Professor für Völkerrecht Norman Paech, sorgte sich sogleich, die Europäische Union könne Sanktionen gegen die Palästinenser beschließen: »Wenn die EU den Wahlsieg der Hamas damit beantwortet, wird sie selbst unglaubwürdig.«

Diese Statements der vorigen Woche sind in ihrer Art typisch für die außenpolitischen Vorstellungen der Linkspartei. Egal, was die radikal-islamische Bewegung so treibt, ob sie sich anschickt, irgendwo auf der Welt die Macht zu erringen oder Bombenanschläge verübt, die Partei zeigt sich betroffen, wiegelt ab und fordert einen Dialog mit Leuten, die vielleicht reden, aber viel lieber auf ihre Art handeln wollen. Und am Ende werden die wahren Probleme angesprochen: Israel oder wahlweise die USA und die ungerechte Weltordnung.

Bedrohter Iran

Auch in der Auseinandersetzung über den Iran lässt sich dieser rhetorische Kniff be­obachten. Als der iranische Präsident Mahmud Ahmadinejad im Oktober über die Auslöschung Israels sinnierte, bezeichnete Paech die Äußerung zwar als »inakzeptablen Rückfall in der internationalen politischen Auseinandersetzung«. Der Vorfall mache aber deutlich, »wie dringend eine politische Lösung sowohl der ungelösten Frage des Besitzes und des Erwerbs von Atomwaffen im Nahen Osten wie aber auch der Gründung eines Palästinensischen Staates ist.« Fraktur geredet: Das eigentliche Problem ist Israel.

Paech fällt es schwer, sein Mitgefühl für das iranische Regime zu verbergen. »Man muss dem Iran Angebote machen«, sagte er der Linkszeitung. Zwar sei jeder Staat, der über Atomwaffen verfüge, eine »unmittelbare Bedrohung«. Aber Paech vermutet: »Das sehen die arabischen Staaten genauso wie wir, das sieht Israel genauso, wie etwa auch die Nachbarstaaten Israels es sehen.« Wer bedroht wen, wer will wen auslöschen? Paech versucht sich einzufühlen: »Man muss schon verstehen, dass der Iran unter einer besonderen Bedrohungssituation steht.« In Israel seien bereits »Blaupausen« für einen Angriff auf den Iran ausgearbeitet.

Welcher Terror?

In seiner Rede auf der so genannten Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin im Januar sagte Oskar Lafontaine, der Fraktionsvorsitzende der Partei, zum Thema Terrorismus: »Wie kann man gegen irgendetwas kämpfen, von dem man noch nicht einmal in der Lage ist zu sagen, was es ist?« Und in der Tat scheint er dazu nicht in der Lage zu sein. Er verlor kein Wort da­rüber, wie mit einer Bewegung umzugehen sei, deren Anhänger sich mittlerweile auch in Bussen oder ­Zügen in London oder Madrid in die Luft sprengen.

Wolfgang Gehrcke und Paul Schäfer, der verteidigungspolitische Sprecher der Linkspartei, versuchten sich in ihrer Schrift mit dem aufrührerischen Titel »Deutschland verweigert den Kriegsdienst« dem Problem des Ter­ro­rismus zu nähern. Dieser sei kein »religiöses Phänomen«, er benutze Men­schen, »um seine makabre Macht« auszuüben. Ist er ein psychologisches Phänomen? Nein. »In diesem Sinn ist er die andere Seite der Strategie des präventiven Krieges.« Die Hamburger PDS hatte es nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf die griffigere Formel gebracht: »Sowas kommt von sowas.«

Was ist Ursache, was ist Wirkung? »Wegen des fortgesetzten Völ­ker­rechts­bruchs in Afghanistan haben die Menschen Angst vor Terroranschlägen«, meint Monika Knoche, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei und ehemalige Grüne. Und was hilft gegen den Terror? »Globale Gerechtigkeit«, glaubt Gehrcke. Nach den Anschlägen von London im Frühjahr erkannte er: »Der Terror von Bomben ist keine Antwort auf den Terror der Ökonomie.« Er rang mit sich: »Trauer und Verzweiflung über die Opfer der Anschläge in London vermischen sich bei mir aber auch mit der Wut über die Arroganz der Mächtigen in dieser Welt, die als G 8-Gipfel im schottischen Gleneagles tagen.« So viel Trauer, so viel Verzweiflung, und hineingeschmuggelt ein unauffälliges »Aber«.

Israel

Zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern schlägt Paech die Stationierung von Uno-Truppen vor. Doch die »Ohnmacht der Uno« zeige sich in der »Weigerung einer Seite, die Vermittlungsdienste« anzunehmen. Welche Seite gemeint ist, liegt auf der Hand.

Paech ist der Jürgen W. Möllemann der Linkspartei. In all seinem Gerede vom Völkerrecht kommt immer wieder sein antiisraelisches Ressentiment zum Vorschein, am deutlichsten in dem Brief, den er im August 2003 an Micha Brumlik schrieb. Darin ging es um das Buch »Nach dem Terror« von Ted Honderich, das der Suhrkamp-Verlag zurück­zo­g, nachdem u.a. auch von Brumlik einige haarsträubende Aussagen des Buches kritisiert worden waren. Honderich hatte den Palästinensern ein »mora­lisches Recht« auf Terroraktionen gegen Israel zugesprochen.

Paech verteidigte Honderich, weil er »Wahrheiten benennt, die nicht mit einem Denkverbot belegt werden dürfen«. Die Diskussion müsse »ohne Tabus« geführt werden. »Ist Ihnen einmal der Gedanke gekommen, dass eine derart exekutivistische Gedankenzensur dem Antisemitismus, der in unserer Gesellschaft ja unleugbar besteht, neuen Auftrieb geben könnte?« fragte er Brumlik. Wenn der Antisemitismus in Deutschland zunimmt, dann deshalb, weil über Israel nicht offen geredet werden darf. Doch da sei Paech vor.

Amis raus!

Die Meinung der Linkspartei über die USA lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Amis raus! Die berechtigte Kritik an Folter und dubiosen Flügen mit Gefangenen, die Ablehnung der Kriege in Afghanistan, im Irak und des »war on terror« führen bei der Linkspartei zu dem Schluss, dass eine »grundsätzliche Neubestimmung (…) des Verhältnisses zu den USA« nötig sei, wie Gehrcke es formuliert. Eine Debatte über die Schließung von US-Stützpunkten in Deutsch­land stehe auf der »Tagesordnung«. Oskar Lafontaine sagte der Frankfurter Rundschau in der vorigen Woche, er würde, sollte er eines Tages wieder an einer Bundesregierung beteiligt sein, den Amerikanern das Recht streitig machen, ihre Militär­basen in Deutschland zu nutzen.

Diese Ideen der Linkspartei erinnern an das Konzept der »selbstbewussten Nation«, wie es die »neue Rechte« in den neunziger Jahren vertrat. »Wir würden darauf hinwirken, dass Deutschland endlich ein wirklich souveränes Land würde«, verspricht Lafontaine. Ein souveränes Land, das von globaler Gerechtigkeit und ewigem Frieden träumt, sich mit radikalen Islamisten zum Pfefferminztee trifft, die Yankees zum Teufel jagt und den Israelis das Völkerrecht beibringt, selbstverständlich gewaltfrei.