Maß und Macht

Die Hamas an der Regierung von udo wolter

Mit der Hamas ist eine politische Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern nicht möglich, weil sie die Existenz Israels nicht akzeptiert. Ohne sie aber ist ebenso keine Lösung möglich, erst recht nicht seit ihrem überwältigenden Sieg bei den Par­la­ments­wahlen. Keine künftige israelische Regierung wird einfach an der Palästinensischen Autonomiebehörde vorbeiverhandeln können, selbst wenn diese von der Hamas gestellt wird. So ungefähr lautet die bittere Ausgangslage, aus der nicht wenige und sehr unterschiedliche Kommentatoren die Hoffnung schöpfen, die Terrororganisation werde, schon um des Erhalts der politischen Macht willen, irgendwie zu einem pragmatischen Handeln finden.

Dabei kam kaum jemand ohne den Hinweis auf die »zwei Gesichter« der Hamas aus, einerseits auf die Selbstmordattentate, andererseits auf die von ihr unterhaltenen Kindergärten, Suppenküchen und anderen sozialen Einrichtungen. Aber lässt sich beides voneinander trennen? Tatsächlich resultieren der Terror gegen Israel wie das karitative Engagement aus derselben Ideologie. In deren Zentrum steht der Kampf gegen Israel und gegen die vermeintlich zionistisch beherrschte Moderne. Wer die Charta der Hamas kennt, muss wissen, dass der darin enthaltene verschwörungstheoretische Antisemitismus nicht allein dem Konflikt mit Israel geschuldet ist, sondern zum Kernbestand ihrer islamistischen Gemeinschaftsideologie gehört, nach der sich auch ihr soziales Programm richtet.

Fürs erste werde die Hamas, so heißt es allenthalben, nicht die Konfrontation mit Israel suchen, sondern sich darauf konzentrieren, die palästinensische Gesellschaft zu islamisieren. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist die Aussicht auf den bevorstehenden Tugendterror, der sich gegen weltlich orientierte Palästinenserinnen und jede Form individueller Freiheitsrechte richten wird, alles andere als beruhigend.

Und was die Außenpolitik der Hamas betrifft, räumen selbst die größten Optimisten ein, dass sie auf absehbare Zeit nicht ihr Ziel aufgeben wird, Israel zu vernichten – erst recht nicht in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen im Iran, einem Staat, der den Terror der Hamas finanziell und logistisch unterstützt. Das Beispiel des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad lässt auch daran zweifeln, dass sich radikale Islamisten schon von selbst mäßigen, sobald sie nur in Parlamenten vertreten sind oder gar an die Regierung gelangen. Als ein Beleg für diese These gilt die Muslimbruderschaft, die mit 88 Abgeordneten im ägyptischen Parlament sitzt und aus der die Hamas hervorgegangen ist. Doch auch ihr Führer Mohammed Akef beeilte sich, den Holocaust als »Mythos« zu bezeichnen, kaum dass Ahmadinejad mit seinen Äußerungen zum Thema für Aufsehen gesorgt hatte.

Dass der Wille der palästinensischen Wähler zu respektieren ist, stellt niemand in Frage. Für Israel, die USA und die Europäische Union lautet die Frage nicht, ob sie je mit einer von der Hamas regierten Autonomiebehörde verhandeln sollten, sondern zu welchen Bedingungen. Für sie gehört zwingend dazu, dass die Organisation das Existenzrecht Israels anerkennt und ihre bewaffneten Terrorbanden auflöst. Ob das so bleibt, ist fraglich. Bereits jetzt erhebt sich hierzulande der Chor der Appeaser, zu denen etwa Claudia Roth oder Christian Sterzing gehören, der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah. Er fordert »Dialog« und »Kooperation«, die zwar an Bedingungen geknüpft sein sollen, die aber bloß nicht mit Druck oder gar finanziellen Sanktionen durchgesetzt werden sollten. Genau die Strategie also, die sich bereits gegenüber dem iranischen Regime gründlich blamiert hat.