Der engagierte Nazi

Sie tummeln sich in Sport- und Schützenvereinen und in Bürgerinitiativen. Mit dieser Strategie könnten es die Rechtsextremisten in Mecklenburg- Vorpommern sogar in den Landtag schaffen. von andreas speit

Von der Arbeitslosigkeit über das »Gammelfleisch« bis hin zu langen Schulwegen – alles interessiert die NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Auf ihrem Landesparteitag in Greifswald bereitete sie sich in der vorvergangenen Woche auf den Landtagswahlkampf vor, den sie vor allem mit regionalen Themen bestreiten will. In den Städten und Gemeinden wollen sich die Parteimitglieder weiterhin in Bürger­ini­tia­ti­ven, Trachten- und Sportvereine einbringen. Das Ziel ist am 17. September der Einzug ins Landesparlament. »Sieben Prozent plus X«, verspricht der Landesvorsitzende, Stefan Köster, seinen Anhängern.

Selten waren sich Initiativen, der Verfassungsschutz und Wissenschaftler so einig. »Die Rechten sind in bestimmten Regionen fest verankert«, sagt Mike Hartwig von der Landesweiten Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern (Lobbi). Der Innenminister Gottfried Timm (SPD) hebt hervor, dass die NPD an »Seriosität« gewinne. Die neonazistische Partei könnte mit einer »Legal-Strategie« erfolgreich sein, betont der Greifswalder Rechtsextremismusforscher Hubertus Buchstein.

Ein seriöses Auftreten, legales Handeln und kommunale Verankerung gehören seit Monaten zur Strategie der NPD und der »Freien Kameradschaften«. Buchstein warnt aber zugleich: Wenn alle vom Einzug der NPD redeten, könne das wie eine »sich selbst erfüllende Prophezeiung« wirken.

Im Vereinshaus der Kleingartenkolonie »Hoffnung« kamen am 5. Februar etwa 150 Mitglieder und Freunde zum Parteitag zusammen. »Wir wussten nichts vom NPD-Parteitag«, sagt der Vorsitzende der Gartenfreunde, Wilfried Schneider, und betont: »Der Vorstand distanziert sich von der NPD.« Die Gaststätte sei der Privatbesitz eines der Gartenfreunde.

Journalisten durften erst zur Schlussansprache des Spitzenkandidaten den Saal betreten. Mit 95,35 Prozent wählten die Delegierten Udo Pastörs zum Frontmann. Der 53jährige Juwelier aus Lübtheen schimpfte über die »katastrophale rot-rot-schwarze Einheitspolitik«, die »Volk und Vaterland« gefährde, und versprach, gegen Hartz IV anzugehen.

Längere Diskussionen über die Kandidaturen sollen nur Thomas Wulff und Köster ausgelöst haben. Köster sollte nicht antreten, da noch eine Gerichtsverhandlung wegen Körperverletzung gegen ihn ansteht. Da die Deutsche Volksunion (DVU) auf ihre Plätze, die ihr wegen der Wahlabsprachen zugesichert waren, verzichtete, kandidierte er dennoch. Ohne Erfolg blieb hingegen Wulffs Bemühung um einen Listenplatz. Das überraschte nicht nur ihn, den Anführer der »Freien Kameradschaften« und Bundessekretär der NPD. Denn gerade in den vergangenen Monaten traten etliche Kameradschaftler in die Partei in Mecklenburg-Vorpommern ein, so dass sie von etwa 100 auf über 200 Mitglieder anwuchs.

Bereits bei der Bundestagswahl erreichte die NPD, die in sieben Stadtvertretungen und Kreistagen vertreten ist, durch die Zusammenarbeit mit den Kameradschaften 3,5 Prozent. In 35 Gemeinden erzielte sie zweistellige Ergebnisse. In Ueckermünde etwa gewann Tino Müller, ein Kader der Freien Kameradschaften und Mitglied der NPD, 21,8 Prozent. Mit der »Bürgerinitiative Schöner Wohnen in Ueckermünde« sammelte er im Jahr 2003 rund 2 000 Unterschriften gegen ein geplantes Asylbewerberheim. Die Unterschriftenzahl entspricht ungefähr dem Stimmergebnis.

In Anklam erzielte Michael Andrejewski, ein Stadtverordneter der NPD, 10,3 Prozent. Köster gewann 8,6 Prozent in seinem Wahlkreis und sitzt im Ludwigsluster Kreis­tag. Er holte mehr Stimmen als die Vertreter von FDP und Grünen zusammen.

Das Ausmaß der Zusammenarbeit der Partei mit den Kameradschaften offenbart, auch ohne Wulff, die Landesliste: Platz zwei nimmt Tino Müller ein, Platz fünf Birger Lüssow, der in Rostock die Szene mitlenkt. Enrico Hamisch vom »Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern« belegt Platz zehn, David Petereit, der das Neonazi-Heft Der Weiße Wolf mitgestaltet, Platz 13 und Ricardo Kaster, der Leiter des »Heimatbundes Pommern«, Platz 15.

Dieses bunte Miteinander dürfte den Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Voigt, beunruhigen. Zwar will er die »freien Kräfte« für die »Volksfrontstrategie« der Partei gewinnen, dass sie jedoch eventuell die Politik der Partei in einem Landesverband bestimmen könnten, dürfte ihm missfallen. Auf dem Parteitag sicherte er dem Landesverband dennoch »die absolute Unterstützung der Gesamtpartei« zu.

Die Delegierten legten nicht nur die Landesliste fest. Sie beschlossen zudem die von Wulff angeregte Unterstützung des Volksbegehrens des Landeselternrats. Vor einigen Tagen begann dieser mit einer Unterschriftensammlung gegen das neue Schulgesetz. Mit dem Begehren will er die Zahl der Schüler pro Lehrer an Grundschulen auf 18 und bei weiterführenden Schulen auf 20 be­gren­zen sowie Schulwege von höchstens 40 bis 60 Minuten durchsetzen. »Helft bei der Unterschriftensammlung«, forderte Wulff von seinen Kameraden, und »als Mitglied im Kreiselternrat« erklärte er: »An unseren Kindern zu sparen, um etwa Geld für volksfremde Interessen ausgeben zu können, ist ein Verrat an den kommenden Generationen unseres Volkes.«

Die zweifelhafte Hilfe von rechts hat der Landeselternrat umgehend abgelehnt. »Wir lassen uns von keiner Partei vereinnahmen«, sagt die Vorsitzende Anja Ziegon. »Alle Menschen sind gleich viel wert«, betonte sie und rief alle Eltern auf, »sich darum zu kümmern, dass rechtem Gedankengut kein Raum geboten wird«. Wulff antwortete: »Die nationale Opposition wird (…) mit der Sammlung für das Volksbegehren fortfahren – ob sie wollen oder nicht.«

Einen solchen Widerspruch ist die NPD nicht gewohnt. In der »Bürgerinitiative Braunkohle nein« in Lübtheen etwa wirken seit ihrer Gründung Rechte wie Pastörs mit. In Kreistagssitzungen setzte Köster sich für die Belange der Initiative ein. Über die rechten Helfer will der Vorsitzende der Initiative, Kai Hagen, nicht gern reden. Stattdessen bezeichnet er Kritiker lieber als »Linksextremisten«.