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Baywatch mal anders

Indymedia Tokelau. Es gibt da so ein Webforum für linke Aktivisten, also so richtige Leute aus der Szene, anarchistisch, autonom, antifaschistisch – lauter solche Sachen. »Indymedia« nennt es sich und es gibt es in so ungefähr jedem Land der Welt. Dort erfährt man, wie viele Nazis um einen Infostand herumstanden, wie viele Globalisierungskritiker sich hinter einem Bush-Hitler-Plakat versammelt haben oder wo gerade wieder ein Umweltschützer auf einem Baum hockt. Auch in Tokelau gibt es Indymedia. Tokelau wiederum ist ein kleines sonniges Südsee-Atoll mit kaum mehr als 1 000 Einwohnern. Allerdings unterscheidet sich Indymedia Tokelau wohltuend von den zahlreichen anderen Filialen. Türkisgrüne Wellen als Hintergrund und darauf die knappe Mitteilung: »Hallo Welt! Alles ist prima und ultimativ friedlich hier und wir sind 100 Prozent happy! Wir können über nichts klagen und wir langweilen uns nicht einmal, wirklich nicht!«

Trotzdem sind linke Aktivisten auch im Paradies nicht untätig: Ein Foto zeigt ein paar Bierdosen im Sand, zu einem Peace-Zeichen zusammengelegt. Dazu die Anmerkung: »Bild einer Friedensaktion am Strand heute. Mehr ist wirklich nicht passiert.« Man kann auch, wie bei Indymedia üblich, eigene Berichte posten: »Du findest uns am Strand, wenn du wirklich etwas veröffentlichen möchtest«, heißt es dazu lakonisch. Watch this: www.indymedia.tk (ib)

Ordnungsgemäß unterschrieben

Junge Freiheit. Die extrem rechte Zeitung Junge Freiheit darf nun doch an der Leipziger Buchmesse teilnehmen. (Jungle World, 6/06) Dies teilte der Direktor der Buchmesse, Oliver Zille, dem Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein, am Freitag in einem Gespräch mit. Die Zeitung war mit der Begründung ausgeladen worden, ihre Teilnahme gefährde die »ordnungsgemäße Durchführung« der Messe. Daraufhin initiierten die rechten Journalisten eine Kampagne zur Unterstützung ihrer Postille, die sich dem Kampf gegen die multikulturelle Gesellschaft und für die selbstbewusste deutsche Nation verschrieben hat und in Sachen deutscher Geschichte gerne mal Fünfe grade sein lässt.

Sie fand eine Menge rechter Zeitgenossen als Unterstützer, darunter nicht nur Politiker wie Peter Gauweiler von der CSU oder der frühere Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU). Nein, die Freiheit des Wortes ist in Deutschland offenbar derart bedroht, dass sogar der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans Olaf Henkel, sich mit seiner Unterschrift wagemutig in den Widerstand gegen die Zensoren begab. Wenn diese nicht aufgegeben hätten, hätte er den Leipzigern womöglich mit einem umfassenden Wirtschaftsboykott gedroht. Vielleicht hätte er auch einfach die ganze Stadt aufgekauft, wer weiß.

Und auch ehemals vernünftige Schriftsteller engagierten sich für das kleine Revisionistenblatt. Der bayerische Autor Eckhard Henscheid etwa. Alle Idole müssen eben sterben. (sw)

Warten auf TG

Throbbing Gristle. Man glaubt es kaum, doch das Gezerre um die lange angekündigte erste Platte von Throbbing Gristle nach 25 Jahren geht weiter. In den einschlägen Internetforen wurden beinahe schon Kopfprämien für denjenigen geboten, der als erster stolz verkünden sollte, er habe das Wunderwerk mit dem Titel »Part Two« hören können. Doch nun heißt es, die Veröffentlichung der Platte werde sich erneut, vom März auf den September, verschieben. Wir glauben nichts mehr. (aha)

Hauptsache Berlin

Spex. In den Achtzigern, aber auch noch weit bis in die Neunziger hinein, waren Hamburg und Köln in Popangelegenheiten Deutschlands Hauptstädte. In Hamburg befanden sich die ganzen Labels samt Hamburger Schule und in Köln die popkulturellen Medien und irgendwann auch die Popkomm. Alle anderen Popstädte der Republik hatten außer ein wenig Geschichte nicht viel zu bieten. Düsseldorf hatte Kraftwerk und den Ratinger Hof, München hatte Giorgio Moroder und Munich Disco, Frankfurt hatte den Club »Das Omen«, Sven Väth sowie Haudrauf-Techno und Berlin hatte die Einstürzenden Neubauten und einen immer mal wieder gerne vorbeischauenden Nick Cave.

Inzwischen ist alles anders. Berlin ist Spitzenobersuperhauptstadt des Pop, manche behaupten sogar: weltweit. Die Popkomm ist hier, die kleinen und großen Labels sowieso und mehr und mehr auch die ganzen Popmedien. Das Danceblatt Groove ist vor einiger Zeit von Frankfurt nach Kreuzberg gezogen, MTV produziert vermehrt hier, und nun auch noch das: Die Spex kommt nach Berlin. Dies sei so, »als verließe die Bunte München und schlüge ihre Zelte am Hamburger Elbufer auf«, urteilte die Süddeutsche Zeitung über die eben bekannt gewordene Entscheidung des Popkultur-Traditionsblatts. Immerhin, so dachte man eigentlich, gehört das Blatt tatsächlich zu Köln wie der Kater zum Rosenmontag in der karnevalbesessenen Stadt. In den besten Zeiten der Zeitschrift schimpfte man darüber, Köln sei »spex-verseucht«, womit man mit mitschwingender Bewunderung der Zeitschrift attestierte, das popkulturelle Geschehen der Stadt fest im Griff zu haben. Tatsächlich wurden große Kölner Labels, Plattenläden und Vertriebe, große Teile der Kölner Subkulturszene durch ehemalige Spex-Mitarbeiter und durch die Berichterstattung im Blatt geprägt, Spex gehörte einfach immer mit dazu.

In Berlin wird der Zeitschrift Vergleichbares wohl kaum gelingen. Man sieht das ja auch an der Popkomm, die in Köln selbst in ihren fadesten Zeiten für einen Ausnahmezustand sorgte, während sie im viel größeren und popkulturell übersättigten Berlin kaum wahrgenommen wird. Die Berliner Szene ist all die Jahre auch ohne Spex ganz gut zurecht gekommen, sie wartet wohl kaum sehnsüchtig darauf, von dem eben 25 Jahre alt gewordenen Magazin neu sortiert zu werden.

Die Entscheidung, nach Berlin zu ziehen, ist, so heißt es seitens des Münchner Piranha-Verlags, zu dem die Spex gehört, auch weniger vom Hauptstadtfaktor beeinflusst als rein pragmatisch zu sehen. Man wird sich die Redaktionsräume mit der ebenfalls zum Haus gehörenden Groove teilen, den Standort Köln ganz aufgeben und versucht so, schlicht Kosten zu sparen. Was freilich wiederum auf Kosten der eigenen Identität geht. (aha)