Unsichere ­Stabilität

Die polnische Regierung stützt sich auf Populisten von oliver hinz

»Der Alptraum der Linken und der Liberalen ist wahr geworden«, freut sich Roman Giertych, der Vorsitzende der rechtsradikalen Liga Polnischer Familien (LPR). Das ist richtig und falsch zugleich. Natürlich ist das Anfang des Monats von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterzeichnete Bündnisabkommen mit den Populisten der Samoobrona (Selbstverteidigung) und der LPR ein neuer Tiefpunkt in Warschaus Politikbetrieb. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski und seine EU-feindlichen Partner, die ihm im Parlament eine sichere Mehrheit verschaffen sollen, treten in die Fußstapfen des Österreichers Jörg Haider. Über den ein Jahr währenden Pakt der rechten Minderheitsregierung mit Polens Radikalen hat man sich bei der EU geärgert.

Zwar sitzen keine Vertreter der Samoobrona und der LPR im Kabinett, doch sie bestimmen nun die Regierungspolitik mit und besetzen wichtige Posten bis hin zur polnischen Nachrichtenagentur. Bisher fielen beide Gruppierungen in der Politik vor allem durch Skandale auf. Als am Tag vor dem EU-Beitritt Polens am 1. Mai 2004 Bundespräsident Johannes Rau eine Rede im Parlament hielt, verließen alle Abgeordneten der LPR den Saal. Giertych begründete dies damals so: »Was wir feiern sollen, ist ein Grund zur Trauer, nicht zur Freude, denn die Bedingungen wurden uns diktiert, vor allem von Deutschland.« Im Wahlkampf im vergangenen Herbst sammelte die Partei Unterschriften gegen die Einführung des Euro, unter anderem weil bei der Einheitswährung ebenfalls die Deutschen das Sagen hätten.

Der andere Mehrheitsbeschaffer der Regierung, der Vorsitzende der Samoobrona, Andrzej Lepper, bekundete vor einigen Jahren seine Sympathie für die Arbeitsmarktpolitik Adolf Hitlers. Der vorbestrafte Politrüpel traf sich gerne mit Diktatoren wie Saddam Hussein. Er hat trotzdem durchgesetzt, dass die Regierung die Mitgliedsbeiträge von polnischen Bauernverbänden bei deren europäischen Dachverband aus der Staatskasse begleicht.

So verfilzt das System der im September klar abgewählten Sozialdemokraten, der ehema­ligen Kommunisten, auch war, eine Symbiose mit einem einzigen Medienimperium wie jetzt gab es noch nicht. Kaczynski, Lepper und Gier­tych paktieren auch mit dem fundamentalis­tischen Mönch Tadeusz Rydzyk, dem Gründer der nationalistisch-klerikalen Sender Radio Maryja und TV Trwam (»Ich harre aus«) sowie der Tageszeitung Nasz Dziennik. Nur Rydzyks Journalisten durften zur Unterzeichnung des »Stabilitätsvertrags« ins Parlament kommen und sie als Hofberichterstatter live übertragen. Rydzyk verhalf mit seinen Medien den Kaczynski-Zwillingen bereits zum Doppel-Wahlsieg und nun als Vermittler auch zum Abkommen mit Lepper und Giertych.

Auf Konfrontationskurs mit der EU wird die Regierung auch nach dem Pakt mit den Populisten jedoch nicht gehen. Sie scheut davor zu­rück, sich in Europa zu isolieren. Den Euro will die parteilose Finanzministerin Zyta Gilowska so schnell wie möglich einführen. Allerdings musste sich Angela Merkel bei ihrem Antrittsbesuch erst einmal einen 20 Minuten langen Monolog des neuen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski anhören. Ausführlich erklärte der Zwillingsbruder des Parteichefs seine Ablehnung des in Berlin geplanten »Zentrums gegen Vertreibungen« und der Erdgas-Pipeline von Russland nach Deutschland durch die Ostsee. Das ist Konsens unter allen Parteien im polnischen Parlament.